Die Heilerin - Roman
schneller um, als ein Krokodil ein Huhn verschlingt. »Mit welchem Mädchen?«
Sie zeigte mit zitterndem Finger auf mich.
Der Erhabene schoss an meine Pritsche und schüttelte mich. Ich schrie, aber er hörte nicht auf. »Wer bist du? Was tust du hier?«
»Sie hat gesagt, sie wäre Talis Schwester«, berichtete Lanelle weiter und hörte sich genauso verzweifelt an wie der Erhabene. »Sie sehen sich furchtbar ähnlich. Nur deshalb konnten sie mich am Anfang täuschen, aber ich habe es trotzdem schnell herausgefunden. Ich glaube, sie hat Tali geheilt, damit sie fli... das Gildenhaus verlassen kann. Bestimmt könnt ihr sie am Tor noch erwischen!«
Seine blauen Augen wurden vor Angst glasig. »Ein Lehrling ist geflohen?« Er starrte Lanelle an.
»Wartet...« Ich stürzte mich auf ihn, griff nach seinem Arm. Wachen oder nicht, ich musste ihm einen Anlass geben, andere Probleme wichtiger zu nehmen als Tali. Der Herzog und seine herzlosen Männer würden nicht auch noch den letzten Rest meiner Familie umbringen, nicht, wenn ich es verhindern konnte.
Der Erhabene versetzte mir mit dem Handrücken einen heftigen Schlag ins Gesicht, ehe ich ihn berühren konnte. Schmerz flammte in meinem Kopf auf, und ich fiel von Abscheu erfüllt zurück. Abscheu vor den Schmerzen, vor meinem Versagen, vor der Furcht - ich konnte es nicht mehr unterscheiden.
Er stampfte davon, aber sein Argwohn war unverkennbar. Das war mehr als nur die Sorge wegen der Panik, die ausbrechen würde, sollte in Geveg bekannt werden, dass es kein Pynvium mehr gab. Ich hätte den Lohn des nächsten Jahres darauf verwettet, dass außerhalb der Gilde niemand wusste, was der Erhabene hier tat. Ich hätte noch mehr darauf verwettet, dass nicht einmal der Generalgouverneur informiert war.
Er hielt an der Tür inne, aber »Findet dieses Lehrlingsmädchen sofort, bevor sie ...« war alles, was ich noch zu hören bekam, ehe die Tür krachend ins Schloss fiel.
Nein! Bilder von Tali, wie sie zum Heilen gezwungen wurde, überschwemmten meinen Geist. Ich musste hier raus. Ich musste Tali finden und sie warnen.
Lanelle trat näher, die Hände zu Fäusten geballt. Sie sah so verschreckt aus wie ein gefangener Vogel. »Wenn ich deswegen für eine vorrangige Heilung ausgewählt werde, dann werde ich ...«
Meine Finger schossen zu ihrem Arm, und ich drückte jeden Schmerz, jeden Stich, jede Pein, die Tali hatte erdulden müssen, in sie hinein. Schuld flackerte an den Rändern des Schmerzes, doch ich verdrängte das Gefühl. Ich würde mich nicht schuldig fühlen, weil ich einer Verräterin wehtat.
»Aahhhh!« Schmerz verzerrte Lanelles Züge, und sie brach zusammen. Ich umklammerte ihren Arm noch fester, drückte noch heftiger.
Und dann strömte der Schmerz langsamer, als versuchte sie, ihn aufzuhalten und zurückzuleiten.
Sie riss den Arm weg und zerrte mich von der Pritsche. Keuchend landeten wir beide auf dem Boden.
Sie leistete Widerstand? Wie? Konnten Löser Schmerz verweigern, oder war Lanelle anders, so wie ich? Anders. Ein Frösteln kühlte meine brennenden Muskeln. Welche Symptome standen auf Lanelles Liste. Symptome derer, die anders waren?
»Was hast du mit mir gemacht?« Blass und mit tränenden Augen rutschte sie auf dem Hintern davon. »Bleib mir vom Leib!«
Sie hatte die Hälfte des Schmerzes aufgenommen, und schon jetzt kehrte meine Kraft zurück. Andererseits ihre auch. Heiler kannten Schmerz, und der Schock würde ihr die Orientierung nicht lange rauben können. Sie griff nach dem Rand der Pritsche, neben der sie niedergesunken war, und mühte sich auf die Beine, keuchend, immer noch unfähig, mehr als ein heiseres Krächzen hervorzubringen, aber das würde nicht lange vorhalten.
»Hil...« Lanelles Schrei brach ab, als ein rothaariger Junge von der nächsten Pritsche rollte und sich auf sie stürzte. Breitbeinig hockte er über ihr und hielt sie am Boden fest, eine Hand auf ihren Mund gepresst.
»Schnell, bring es zu Ende«, schrie er mich an, während ich ihn mit offen stehendem Mund anstierte. »Los!«
»Was zu Ende bringen?«
»Was du gerade mit ihr gemacht hast. Das ist unsere einzige Chance, hier rauszukommen.«
Lanelle strampelte unter ihm, wimmerte und brüllte in seine Hand. Ob der Wachmann vor der Tür sie hören konnte ?
»Schnell, ich kann sie nicht mehr lange halten.« Schweißperlen zeichneten sich auf seiner Stirn ab, und seine braunen Augen glänzten vor Schmerz.
Ich konnte jetzt nicht aufhören, oder Tali hatte nicht die
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