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Die Heilerin - Roman

Titel: Die Heilerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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kleinste Chance. Lanelle würde dem Erhabenen erzählen, dass ich Schmerz geschiftet hatte. Noch vor Sonnenuntergang wäre ich gefesselt und geknebelt auf dem Weg nach Baseer. Der Herzog war immer noch auf der Suche nach anormalen Lösern, und vielleicht hatte er gerade eine neue Möglichkeit entdeckt, sie zu finden.
    Ich kroch zu Lanelle und dem Jungen.
    Plötzlich wurde die Tür geöffnet, und ein Wachmann kam herein. Ärger spiegelte sich auf seinem desinteressierten Gesicht. »Was ist hier los ?«
    Ich keuchte auf und zuckte zurück, als Lanelle mit neuer Kraft um sich trat und brüllte. Mein Knie traf auf etwas Hartes, Unebenmäßiges.
    »Runter von ihr! Was tust du da?« Der Wachmann rannte auf Lanelle zu. Er hatte schwarzes, glänzendes Haar, so dunkel wie seine Baseeriseele.
    Er riss den Jungen von Lanelle und stieß ihn zur Seite. Ich schnappte mir das Pynvium und wünschte, ich könnte meine Enttäuschung in ihm verstauen wie Tali ihren Schmerz.
    »Lass ihn in Ruhe!« Als wäre ich ein kleines Kind, warf ich mit einer Hand voll Pynviumklumpen nach dem Wachmann. Warf mit all meinem Zorn und dem Hass auf das, was der Erhabene und der Herzog meiner Familie angetan hatten, meinem Zuhause, meinem Leben.
    Wumm! Ein tieftönendes Geräusch, mehr fühl- als hörbar. Schmerz blitzte auf, schlug sich wie Hitzeflimmern in der Luft nieder, als das Pynvium den Brustkorb des Wachmanns traf.
    Wumm! Noch ein Treffer, dieses Mal an der Hüfte.
    Der Klumpen flammte auf, wie die Perlen an Aylins Armreif es getan hatten, als Sersin mein Handgelenk umklammert hatte. Wie die Pynviumgegenstände in den Regalen der Schmerzhändler. Schmerz sprenkelte mich wie verwehter Sand, während der Wachmann schreiend zu Boden ging. Lanelle hatte sich wimmernd zu einem kleinen Ball zusammengerollt und die Arme schützend über den Kopf gelegt.
    Ich gaffte den stöhnenden Wachmann an. Wie hatte ich Pynvium zur Entladung bringen können? Nur Techniker konnten das Metall dazu bringen, so wie Papa es während des Krieges getan hatte. Ich hatte seine Augen geerbt - hatte ich noch mehr von ihm?
    Was genau war ich?
    Der Wachmann kauerte inzwischen auf den Knien, krabbelte davon, während ich ihn nur anstarrte, immer noch schockiert wie ein Fisch an der Angel.
    »Wie hast du das gemacht?«, keuchte er und griff nach seinem Rapier.
    Ich durfte nicht zulassen, dass er den Erhabenen informierte, während ich hilflos war. Ich sammelte zusammen, was mir an Schmerz geblieben war, und krauchte hinter ihm her, zwang meine Beine, mich voranzuschieben, und ignorierte die zerreißenden Schmerzen, die durch sie hindurchjagten.
    Der rothaarige Lehrling war auf den Beinen und stolperte auf Lanelle und den Wachmann zu. »Halte sie auf!«
    Ich packte das Schienbein des Wachmanns. Er trat nach mir, legte aber nicht viel Kraft in seinen Tritt. Ich dagegen drückte alles in ihn hinein. Sogar die Schuldgefühle, die daraus entstanden. Er schrie.
    Mein Schmerz ließ nach. Ich schnappte gierig nach Luft und versuchte, mich zu konzentrieren. Der Wachmann war bewusstlos. Lanelle würde nirgends mehr hingehen. Sie hatte die Hälfte meines Schmerzes und vermutlich auch noch einen Teil dessen, was in dem Pynvium gesteckt hatte.
    Erbarmen, ihr Heiligen, was hatte ich getan?
    »Hast du gerade Pynvium entladen?«, fragte der Lehrling und sackte neben mir zu Boden. Dem Aussehen nach war er etwa achtzehn und hatte eine von winzigen Sommersprossen übersäte kurze Nase.
    »Ich weiß es nicht.« Ich hatte noch nie gehört, dass irgendjemand Schmerz auf diese Art entladen konnte, ohne dass ein magischer Auslöser vorhanden war, mit dem der Schmerz freigesetzt und die Richtung, die er nahm, bestimmt werden konnte.
    »Ich heiße Soek«, sagte er. Er sprach den Namen mit dem melodischen Akzent Verlattas aus.
    »Nya.«
    »Du bist die Schifterin, von der alle reden, nicht wahr?«
    »Äh ...«
    »Komm schon, wir müssen hier raus.«
    »Ich weiß.« In meinem Kopf wirbelten immer noch viel zu viele Fragen umher. »Hast du dich auch hier hereingeschlichen, um jemanden zu retten?«
    »Nein, ich bin Lehrling.«
    Mein Mund blieb eine schockierte Sekunde lang offen stehen. »Warum liegst du dann nicht krank auf einer dieser Pritschen.«
    »Ich erhole mich schnell.«
    »Du erholst dich von dem Schmerz anderer Leute?«
    »Schätze schon.« Er lächelte, aber ich sah die Furcht in seinen Zügen. Und ich hätte mich an seiner Stelle auch gefürchtet. Er war besser als Pynvium auf Beinen. Er war

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