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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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ist … Nicolaus’ …« Danach erschütterte ein krächzendes Lachen seinen Brustkorb.
    »Ja«, bestätigte Josse, ohne zu zögern. »Ich habe sie nicht nur wegen ihres medizinischen Könnens mitgebracht, sondern weil sie heilsamer Einblicke in einer Angelegenheit bedarf, die Euch am Rande betrifft.«
    Taleke schwindelte es. Sie verstand, dass sowohl de Craon als auch der Maître von Nicolaus sprachen. Nicolaus hielt sich obendrein offenbar gerade im Palast auf. Vielleicht sogar hinter der nächsten Tür. Und es ging ja nicht nur um seine Sodomie: Josse zeigte ihr, dass Nicolaus den Luxus der reichsten Oberschicht genoss – zusammen dagegen hausten sie in einem erbärmlichen Loch.
    Glücklicherweise war das Geplänkel damit beendet. Dem Conde begann Schweiß an den Schläfen herabzutropfen, und er wurde noch blasser, sofern das überhaupt möglich war.
    »Könnt Ihr mich so herrichten, dass ich für die Hochzeitsfeier in zwei Tagen anständig genug aussehe?«, brachte er hervor.
    »Kommt darauf an, wer heiratet.«
    »Habt Ihr es nicht gehört? Tagelang im weinseligen Dämmerschlaf gelegen?« De Craon lachte angestrengt. »Die Spatzen pfeifen es von den Dächern. Conde de Brienne heiratet Isabelle de Rohan.«
    Josse ging zügig an die Arbeit, ohne sich etwas anmerken zu lassen, aber Talekes Hände bebten, aus Wut über Nicolaus ebenso wie aus Besorgnis um Isabelle.
    Sie verdrängte ihre Furcht erst, als sie von Josse in Anspruch genommen wurde, der ihr leise zu erläutern begann, wie er die Dosierung des Mohnsaftes zu berechnen pflegte. Sobald die normalerweise straffen Gesichtszüge des Grafen schlaff wurden und er röchelte, gestattete er, dass der Diener die leichte Decke behutsam entfernte.
    »Herr«, bemerkte der Mann, dem Maître Josses Besuch offensichtlich unpassend erschien, »der Koch bereitet heute Goldbrasse zu, gefüllt mit Merlan und Eiern, Eure Lieblingsspeise. Wann darf ich servieren?«
    De Craon schlief und antwortete nicht.
    Mit pikiert gespitzten Lippen faltete der Diener die Decke zusammen und wollte sich entfernen.
    »Du bleibst hier!«, befahl Josse scharf. »Deine Hilfe wird benötigt. Ich glaube nicht, dass dein Herr heute noch Goldbrasse essen möchte. Der Koch soll eine leichte Hühnerbrühe bereithalten für den Moment, wenn de Craon wach wird.«
    »Hühnerbrühe«, flüsterte der Diener entsetzt. »Ein Volksfraß.«
    Weder Josse noch Taleke kümmerten sich weiter um ihn. Erschrocken holte Taleke Luft, als sie die aus dem Fleisch ragenden Knochen sah.
    »Die Griechen legten auf Sauberkeit wert, einige Römer taten es, und wir werden es auch tun.« Maître Josse sah Taleke bedeutungsvoll an, und als er erkannte, dass sie verstanden hatte, wie wichtig ihm die Sauberkeit war, entfaltete er ein gebleichtes Leinentuch, das er mit Talekes Hilfe unter den gebrochenen Arm schob. Wässriges Blut tropfte von der Wunde, die er mit einer farblosen Flüssigkeit auswusch. »Anima vini, Weingeist«, murmelte er Taleke zu.
    Sie erinnerte sich an Catelines strenge Mahnung.
    Während der Diener mit abgewandtem Gesicht seinen Herrn mit den Schultern auf das Bett drückte, damit er sich nicht aufbäumte, fügte Josse die Knochenenden geschickt zusammen. »Jetzt heißt es, mit dem Nähen schnell sein, damit die Mühe nicht vergebens war.«
    Taleke sah die schnellen, aber sorgfältigen kleinen Stiche, die einen Kamm aus der Hautverletzung machten. Danach passte der Maître dem Arm eine mit Wolle gepolsterte Schiene an, um die er einen straffen Verband legte.
    »Ich komme morgen Vormittag, um nach dem Grafen zu sehen«, knurrte Josse den Diener an und eilte ohne weitere Worte zur Tür.
    Es war nicht zu übersehen, wie sehr er den Grafen hasste, und Taleke konnte aus vollem Herzen mit ihm empfinden, wenn auch aus völlig anderen Gründen. Doch persönliche Gefühle durften nie einen Einfluss auf die Behandlung eines Kranken gewinnen. Josse hatte sie heute unter anderem dieses gelehrt. Aber vor Nicolaus erfasste sie Grauen.
     
    Taleke brachte es noch nicht fertig, mit Nicolaus über sein Verhältnis zum Conde zu reden. Sie brauchte Abstand, um zu überlegen, was sie ihm sagen sollte. Und, vielleicht noch wichtiger, was sie ihm nicht sagen durfte, um seine empfindliche Natur nicht so sehr zu verletzen, dass er sie hinauswarf. Denn sie war fest entschlossen, sich so gründlich ausbilden zu lassen, wie nur möglich.
    Ein wenig enttäuscht war sie darüber, dass Maître Josse sie nicht einlud, mit ihm zusammen

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