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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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hinzu. Ihr hatte es gefallen, wie Razes in jedem Kapitel seiner Abhandlung seine Demut gegenüber dem Gott zum Ausdruck brachte, den Nicolaus als Götzen bezeichnete. Aber niemals hatte Razes seinen Gott für die Krankheit verantwortlich gemacht.
    »Danke, Taleke. Mit dir an der Seite bin ich wieder zuversichtlich. Heute Nacht hatte ich Angst um Ote.« Cateline umarmte Taleke, was sie noch nie getan hatte.
    »Ich sehe morgen am Vormittag wieder nach ihm.«
    »Dann werde ich dir auch schon erzählen können, wie es der Mutter mit den Zwillingen geht. Da du sie entbunden hast, interessiert es dich wahrscheinlich.«
    »Was ist denn mit ihr? Oder sind die Zwillinge krank? Und warum sind wir dann nicht zu ihr gerufen worden?«
    Cateline schüttelte ernst den Kopf. »Die Zwillinge sind gesund. Die Mutter ist von Blattern befallen. Hast du nicht gehört, dass sie wieder umgehen?«
    »Doch. Gibt es noch mehr Kranke?«
    »Ich weiß es nicht. Die Zwillingsmutter ist jedenfalls die Erste in ihrer Gasse. Aber wie üblich werden sich die Blattern wohl unter den Kindern ausbreiten, die bei dem vorigen Blatternlauf noch nicht geboren waren.«
     
    So Gott will. So Gott will. Razes’ Formel ratterte Taleke auf dem Heimweg förmlich durch den Kopf und ließ sie an nichts anderes denken. Als sie vor ihrer Haustür angekommen war, wusste sie, warum.
    Es waren die Blattern, die sie zutiefst beunruhigten.
    Vor allem das seltsame Ereignis, dass die Krankheit ausgerechnet die beiden Frauen befiel, die sie entbunden hatte. Frauen im Wochenbett gingen weder zur Messe noch auf den Markt. Wie waren die Blattern, die für gewöhnlich bei Kindern auftraten, zu ihnen gekommen? Razes schrieb nichts davon, dass Frauen im Wochenbett besonders anfällig waren.
    Nicolaus war oben in ihrem Zimmer. Neugierig sah er ihr entgegen. »Wie war die Entbindung? Leicht?«
    »Seit wann interessierst du dich dafür? Sie bot keinerlei Überraschungen.« Taleke misstraute seiner zur Schau getragenen Freundlichkeit, nachdem er sie anfänglich wegen der Geburtshilfe verhöhnt hatte. Und mit ihm über ihre Sorgen wegen der Blattern zu sprechen, verbot sich von selbst, nachdem sie Nicolaus’ Meinung über Krankheiten fremder Länder erfahren hatte.
    »Und die Frau wohnt in der Nähe, wie man vermuten muss.«
    »Ja, das stimmt. Schließlich ist Cateline die Hebamme des Bezirks.«
    »Gibt es sonst etwas Neues?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    Mehr war im Augenblick zwischen ihnen beiden nicht zu erwarten. Die Zeit würde erweisen, ob sie damit leben konnten.
     
    Am nächsten Morgen fand sich Taleke früh bei Cateline ein. »Wie geht es Ote?«
    »Er hustet jetzt. Aber er ist nur noch mäßig heiß.«
    »Das ist gut«, sagte Taleke froh. Ote war wach. Allerdings sah er mit seinen tränenden Augen und der Schwellung im Gesicht keineswegs so aus, als ob sich die Krankheit dem Ende zuneigte.
    Trotzdem versuchte er, Taleke anzulächeln. »Der Bauch tut mir nicht mehr weh.«
    »Fein. Ich besuche dich morgen wieder, Ote.«
    Cateline ging mit Taleke auf die Gasse hinaus.
    »Ich glaube nicht, dass Ote über den Berg ist«, sagte Taleke geradeheraus. »Noch nicht, Cateline. Wegen des Hustens solltest du ihm bevorzugt Salbeisud zu trinken geben. Und bleib bei ihm. Ich befürchte, dass die böse Hitze wieder auftreten könnte. Wenn sie schlimm wird, musst du ihm in schneller Folge kalte Wickel um die Waden machen und ein kaltes Tuch in den Nacken legen.«
     
    Die Unruhe trieb Taleke am nächsten Tag noch früher zu Cateline. Und das war gut so. In Tränen aufgelöst, bereitete Cateline gerade neue kalte Wickel für Ote vor. Wieder warf er sich herum, murmelte wirres Zeug und brodelte vor Hitze.
    »Seit wann hat er die rötlichen Flecken im Gesicht?«
    Cateline bückte sich und betrachtete ihren Enkel aus zusammengekniffenen Augen. »Tatsächlich, die hatte ich noch gar nicht bemerkt.«
    Die Flecken breiteten sich an den Schläfen und über den Hals aus und verschwanden unter der Decke, in die Ote gewickelt war.
    »Die Blattern!«, keuchte Cateline und warf sich auf den Boden, laut schluchzend. »Herr, warum tust du mir das an?«
    Taleke atmete ganz flach und versuchte, sich auf jedes Wort von Razes zu besinnen. Dann fiel ihr die Lösung endlich ein. »Ote kann keine Blattern haben, Cateline! Er hatte sie doch schon.«
    Catelines Hände hörten nach und nach auf, in ohnmächtigem Zorn auf den gestampften Boden zu trommeln. »Ja, und?«, fragte sie dumpf.
    »Selbst jemand, den die

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