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Die Heilerin von Lübeck

Die Heilerin von Lübeck

Titel: Die Heilerin von Lübeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Blattern als Kind nur schwach befallen haben, kann sie nicht mehr bekommen. Sagt der Gelehrte Razes.«
    »Ich kenne den Gelehrten nicht. Glaubst du ihm?«
    »Unbedingt. Ote hat keine Kinderblattern. Ich vermute, er hat Kinderflecken, die beiden Krankheiten sind anfangs schwer voneinander zu unterscheiden. Die Rötung von Otes Flecken tritt nicht sonderlich hervor, deshalb sind sie dir entgangen. Das ist ein gutes Zeichen, schreibt Razes. Grünlich oder veilchenfarben wären sie gefährlich.«
    »Wirklich?« Cateline wischte ihre Tränen ab und stemmte sich in die Höhe. »Wie gut, dass ich dich habe, Taleke! Stell dir vor, ich hätte in meiner Not doch noch den Bader gerufen!«
     
    Die dicke Gautzelin watschelte die Gassen entlang, auf der Suche nach den Maréchaux, die für das Viertel zuständig waren. Ihre Beobachtungen waren von großem Wert, davon war sie überzeugt. Sie musste nur diejenigen finden, die sich ihren Bericht etwas kosten lassen würden. Der Kerl namens Nouel war der Erste auf ihrer Liste. Er galt als skrupellos, bestechlich und ehrgeizig.
    Sie entdeckte ihn in der fünften Taverne, die sie besuchte, im Roten Hund. »Maréchal Nouel«, grüßte sie verhalten. »Seid Ihr einen Augenblick für eine gesetzestreue Bürgerin zu sprechen?«
    Nouel runzelte die Stirn. »Mein Dienst ist für heute beendet.«
    »Dann sollte ich meine Entdeckung selbstverständlich woanders zur Sprache bringen. Sagt mir, wo ich Euren Vorgesetzten finde.«
    »Worum geht es denn?«
    »Um unlautere Machenschaften einer Fremden … Sie maßt sich an, heilen zu können, und bedient sich der Magie.«
    »Na ja. Wenn sie heilt …«, sagte Nouel lauernd.
    »Sie lässt die Blattern durch die Luft fliegen. Trotz aller Mauern … Das Dörfchen Saint-Marcel ist befestigt, wie jedermann weiß, und Paris ist befestigt, wie auch jedermann weiß …«
    Der Maréchal richtete sich kerzengerade auf und schob den Becher mit dem süßen Roten von sich. »Erkläre dich genauer, Weib.«
    Gautzelin tippte gedankenverloren mit dem Zeigefinger in ihre Handfläche. »Ich muss auch leben …«
    »Das müssen wir alle«, schnaubte Nouel. »Wenn du nichts Wichtigeres zu berichten hast, scher dich fort!«
    »Es geht um die Talèk, wie sie sich nennt, die Lübeckerin.«
    »Talèk? Ach ja. Dann pack aus.«
    »Wie ich schon sagte …« Mit bescheidenem Gesichtsausdruck tupfte Gautzelin wieder in ihre Hand.
    Nouel sah ein, dass er keine Silbe hören würde, wenn er nicht bezahlte. Griesgrämig öffnete er seinen Beutel und holte eine Kupfermünze heraus, die er Gautzelin hinhielt.
    Gautzelin kicherte.
    »Halt’s Maul!«, fauchte Nouel und wechselte das Kupfer gegen Silber aus.
    »Drei davon«, befahl Gautzelin. Als sie hatte, was sie verlangte, breitete sie die fleischigen Unterarme auf der mit feuchten Ringen übersäten Tischplatte aus und beugte sich zu Nouel hinüber. »Diese Fremde betätigt sich als Wehmutter. Seltsamerweise liegen Frauen, die sie betreut hat, mit den Blattern darnieder. Und das, obwohl in Paris niemand sonst die Blattern hat. In der Faubourg Saint-Marcel sollen sie zuerst aufgetreten sein. Bei einer Metzgersfrau, die an der Pont aux Tripes, der Brücke der Kutteln, wohnt.« Wie eine geübte Gauklerin hielt sie sich demonstrativ die Nase zu und grinste voller Vorfreude. »Und hier bei einer Metzgersfrau, die in der Gasse der Metzger wohnt. Wenn das kein Beweis ist …«
    »Unser Herr straft, wie er will.«
    »Der Herr!«, prustete Gautzelin. »Hat der Herr es nötig, den König nachzuäffen, der straft, wie er will? Muss man nicht eher glauben, dass Er an den Blattern unschuldig ist? Und dass diese Talèk sich durch Teufelsbuhlschaft Satan zum Knecht gemacht hat, damit er wieder Unfrieden unter gottesfürchtigen Christen stiftet?«
    »Das Viertel ist seit etlichen Tagen in Aufruhr, das stimmt.«
    »Seht Ihr? Niemand weiß, wie es kommt, dass die Blattern sich in die Lüfte erheben und kurze Zeit später in Paris landen. Noch dazu nur auf Frauen! Merkt Ihr was, Maréchal? Frauen kurz nach der Niederkunft! Die Talèk muss einen Hass auf Frauen im Wochenbett haben. Sie selbst hat keine Kinder, aber der Neid trieft ihr aus jeder Pore.«
    »Wenn man es so sieht …«
    »Mit rechten Dingen geht es jedenfalls nicht zu, Maréchal, das sagt Euch die Nase der Gautzelin!«
    »Ich werde den Kardinal um eine Audienz bitten«, flüsterte Nouel vor sich hin, aber Gautzelins gespitzte Ohren bekamen jedes Wort mit. »Zauberei fällt nicht in

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