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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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verwehren?«
    »Nur dass sie nicht Euer Hausmädchen ist«, gab die Badessa mit fester Stimme zu bedenken.
    Jetzt verlor Annibale die Beherrschung und fuhr sie an: »Nein, das ist sie nicht.« Seine Stimme hallte innerhalb der Schnabelmaske in seinen Ohren wider. »Sie ist meine Kollegin. Sie ist eine Ärztin.« Es war das erste Mal, dass er das Wort laut aussprach, und er wunderte sich über sich selbst.
    Für den Rest des Tages machte er sich im Haus zu schaffen. Er dachte an Feyra, die die Patienten betreute, verschleiert und geschäftig, und sehnte sich danach, sie hier zu haben. Er wusste genau, wie er sie in die Arme schließen und wie er ihren wundervollen Mund küssen würde. Annibale, der niemals betete, betete jetzt, das Licht möge schwächer werden.
    Als endlich die Dunkelheit hereingebrochen war und sie an die Tür klopfte, schoss er förmlich von seinem Stuhl hoch. Er riss die Tür so hastig auf, dass das Feuer eine Rauchwolke ausspie. Als sie sich verzog, gab sie den Blick auf eine grässliche Erscheinung frei.
    Es war, als wäre Feyra ein halbes Jahrhundert gealtert, als hätte sie ihre dunklen Locken künstlich schwarz gefärbt, Krähenfüße bekommen, die sich um die von bernsteinfarben zu schlammgrün getrübten Augen herumzogen, und ihre Wangen durch zwei zu rote Rougeflecken betont. Sie trug ein zerlumptes rotes Samtkleid mit einem Ausschnitt bis zu den Brustwarzen, das man beim besten Willen nicht als sittsam bezeichnen konnte. Unfähig, sich von der Stelle zu rühren, starrte er sie voller Entsetzen an.
    Es war Columbina Cason. Seine Mutter.

31
    Feyras Hand zitterte, als sie sie hob, um an Annibales Tür zu klopfen. Dies war der Beginn eines neuen Lebens für sie beide.
    Die Tür wurde geöffnet, und eine Frau stand vor ihr. Sie trug einen Reiseumhang und hielt eine Maske in der Hand, als sei sie ebenfalls gerade erst angekommen. Feyra, der der Schreck die Sprache verschlagen hatte, stand stumm vor ihr. Die Frau hob nach Art vornehmer Damen das Kinn. »Ja?«, fragte sie hochmütig.
    »Ich möchte den Doktor sprechen.« Feyra sah Annibale unschlüssig im Hintergrund stehen und warf ihm einen flehenden Blick zu.
    Die Frau registrierte ihren Akzent, und ihre grünen, katzenähnlichen Augen wurden schmal. »Und du bist …«
    Annibale trat hastig vor. »Feyra ist meine Krankenschwester im Tezon.«
    »So, so.« Die Frau verlagerte ihr Gewicht auf eine Weise von einer Hüfte auf die andere, die aufreizend und besitzergreifend zugleich wirkte. »Mein Sohn braucht keine Krankenschwester. Seine Mamma ist wieder zu Hause.« Mit diesen Worten schlug sie Feyra die Tür vor der Nase zu.
    »Ich habe mich geändert.«
    Seine Mutter hatte unaufgefordert auf dem Stuhl am Feuer Platz genommen, der für Feyra gedacht gewesen war. Er erwiderte nichts darauf, aber sie musste seine Zweifel gespürt haben.
    »Doch, das habe ich, Annibale. Ich habe mich von meinem alten Leben endgültig losgesagt. Ich möchte hier bei dir bleiben und dir endlich eine Mutter sein. Ich weiß, dass ich dir großes Unrecht zugefügt habe – dich mehr als ein Mal schmählich im Stich gelassen …«
    »Wie hast du mich gefunden?«, unterbrach er sie scharf.
    Sie schlug die Katzenaugen nieder. »Ich bin mit einem Kaufmann … einem Bekannten nach Treporti gegangen. Dort hörte ich, dass ein Arzt namens Cason hier auf der Insel ein Krankenhaus betreibt. Mein Bekannter wurde krank, und ich wusste nicht, was ich tun sollte. Aber ich wusste, dass mein Sohn mir helfen würde, wenn ich zu ihm gehe. Ach, mein Junge! Du hast all dies bewirkt, du hast all diese guten Menschen hierhergebracht und sie gerettet.« Sie sank vor ihm auf die Knie und küsste seine Hände. »Ich wusste, dass du auch mich retten würdest!«
    Da er feststellte, dass er seine Hände nicht wegziehen konnte, wartete er schweren Herzens, bis sie sich wieder setzte, anmutig an der Ambrakugel schnupperte, die an ihrem Handgelenk hing, und ihre Röcke um sich drapierte. Ihre Augen waren vollkommen trocken.
    »Ich dachte, wir sollten noch ein Mal von vorne anfangen, du und ich. Ich hatte kein einfaches Leben, musst du wissen. Dein Vater …«
    Annibale gefror plötzlich das Blut in den Adern. »Du warst aber schon mit meinem Vater verheiratet, oder?« Er dachte an alles, was er je gekannt hatte, seinen Namen, seine Abstammung, den unter den Bodendielen unter seinem Bett verborgenen Cason-Schatz.
    »Natürlich war ich das. Aber was du nicht weißt, ist, dass ich eine Kurtisane war

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