Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Stadt geschickt!«
»Woher wisst Ihr das, Dama ?«, rief jemand.
»Mein Mann, Gott schenke seiner Seele Frieden«, würgte sie den verräterischen Segen hervor, »arbeitete auf der Quarantäneinsel Vigna Murada.« Sie hatte sich an den alten Namen von Annibales Insel erinnert. »Die Vierzigtagemänner hielten kürzlich ein Schiff an, das von Konstantinopel gekommen war, und ließen die Mannschaft an Land. Das war ihr Fehler. Innerhalb von sieben Tagen waren alle Vierzigtagemänner mit dem Schwarzen Tod infiziert, und die herzlosen Ungläubigen trugen Vorräte zusammen und warteten darauf, dass die Männer starben.«
Die Menge war jetzt angewachsen und hörte wie gebannt zu. Feyra dämpfte ihre Stimme ein wenig. »Mein Mann war der Letzte, der starb, er blieb als Einziger übrig, um sich dem Feind zu widersetzen. Das Schiff sollte wieder in See stechen, aber trotz seiner Krankheit hielt mein guter Gemahl einen Mann davon ab, an Bord zu gehen, indem er ihm ein Messer ins Herz stach. Seine Landsleute ließen den Türken, einen Ungläubigen namens«, sie überlegte rasch, »Takat Turan einfach feige im Stich.«
Totenstille hatte sich über die Menge gelegt, sie hätte jetzt flüstern können, und jeder hätte sie verstanden. Aber sie sprach klar und deutlich und erwärmte sich zunehmend für ihr Thema. »Die beiden Männer waren allein auf der Insel, ein Christ und ein Heide, einer mit einem Stich im Herzen, der andere unrettbar an der Pest erkrankt. Mein Mann, mein geliebter … Annibale«, sie täuschte ein leises Schluchzen vor, »fragte Turan, wieso keiner seiner Landsleute an der furchtbaren Seuche erkrankt war, die sie mitgebracht hatten. Turan zeigte ihm die Antwort – dies hier.« Sie hielt die Theriakflasche in die Höhe. Die darin enthaltene Flüssigkeit, die so grün wie ihr Kleid war, wurde von einem Sonnenstrahl erleuchtet, der den Nebel durchdrungen hatte, sodass sie in der Düsternis der Pestilenz wie ein Stern der Hoffnung strahlte. »In diesen letzten Stunden überzeugte mein Mann den Muselmano davon, dass es noch nicht zu spät war, Reue zu zeigen. Sie schleppten sich gemeinsam zu der kleinen Kirche San Bartolomeo auf der Insel, und dort forderte mein Mann Takat Turan auf, sich dem wahren Gott zuzuwenden. Da mein Mann zu edelmütig war, um nach Hause zu kommen und mich mit der Pest anzustecken, schrieb er die ganze Geschichte nieder, listete die Zutaten für den Trank auf, rollte das Pergament zusammen und schob unseren Ehering über die Rolle …« Sie zog den Kristallring aus ihrem Mieder. »So fand ich das Rezept, als mir seine persönliche Habe überbracht wurde. Nun verfüge ich über gewisse Kenntnisse auf dem Gebiet der Herstellung von Arzneimitteln – im häuslichen Bereich, meine ich«, fügte sie hastig hinzu, »denn kochen wir Frauen nicht jeden Tag in der cucina für unsere Männer?« Sie überhörte das Gekicher einiger Leute und fuhr fort: »Daher bereitete ich den Trank genau so zu, wie er es aufgeschrieben hatte.«
Ein interessiertes Raunen lief durch die Menge. »Woher sollen wir wissen, dass er hilft?«, rief eine Frau.
»Ich bin der lebende Beweis dafür«, flötete Feyra mit glockenklarer Stimme. »Seit sechs Monaten habe ich jetzt in einem Pestbezirk gelebt, ohne zu erkranken. Doch nun sagte mir eine gute Badessa, es sei Gottes Wunsch, dass ich mein Geschenk mit euch teile, für den geringen Preis von«, fügte sie schweren Herzens hinzu, »einer Zechine pro Flasche. Ein niedriger Preis für ein Leben.« Sie öffnete die Hand und sah, dass ihre Handfläche blutete, weil sie die Nägel so fest hineingegraben hatte. So stand sie wie die Verkörperung von Jugend und Gesundheit da und wartete mit flehend ausgebreiteten Armen. Eine Hand blutete wie die des gekreuzigten Propheten, und in der anderen hielt sie die magische Phiole.
Das reichte aus.
Sie wurde in dem folgenden Ansturm förmlich von der Kiste gestoßen.
Und inmitten des Geschreis, des Getümmels und der Panik, eine Phiole zu ergattern, vernahm sie den wahren Grund für ihren Erfolg. Wieder und wieder hörte sie, wie die Türken geschmäht und als Teufel, Dämonen und elende Ratten bezeichnet wurden. Wieder und wieder hörte sie, wie furchtbare Lügen bezüglich ihrer religiösen Praktiken von Mund zu Mund gingen, wie ihre Frauen beleidigt wurden und Flüche auf ihr ganzes Volk hinabregneten. Nur der Gedanke an Annibale und all das Gute, das sie mit dem Geld tun konnte, vermochte sie mit dem Umstand zu versöhnen,
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