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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Geschäft leidet, weil diese Witwe in dem grünen Kleid ihr ›türkisches Heilmittel‹ verkauft, diesen Theriaca.«
    Einer der Tribune strich sich über seine hängenden Kinne. »Hilft der Trank denn?«, fragte er mit seiner brüchigen Stimme laut.
    »Das behauptet sie jedenfalls. Tut das etwas zur Sache?«
    »Aber Ihr kennt die Regeln, Valnetti«, warf der erste Alte nörgelnd ein. »Wenn sie ein Arzt wäre, müsste sie jeden noch so kleinen Bestandteil des Mittels registrieren lassen und die fälligen Steuern zahlen. Aber dem, was Ihr sagt, entnehme ich, dass es sich um eine Privatperson handelt.«
    Valnetti hielt seine Zunge im Zaum. Seine Patienten waren ihm gleichgültig, aber er hatte im Laufe seiner Jahre als Arzt viel Geld verdient, weil er sich auf seinen Instinkt verlassen hatte. Er hatte die Ohren gespitzt, als die Witwe den Namen erwähnt hatte, den er auf dieser Welt am meisten hasste: Annibale. Das und ihre Geschichte von der Insel, auf der Cason sein Krankenhaus eingerichtet hatte, waren zu viele Zufälle. Valnetti war so sicher, wie er nur sein konnte, dass sein junger Erzfeind hinter all dem steckte. Aber er würde seinen Verdacht für sich behalten, bis er Beweise hatte.
    »Wenn sie eine Lizenz zum Ausüben einer ärztlichen Tätigkeit hätte, sähe die Sache natürlich schon anders aus«, fuhr der Zweite fort.
    »Natürlich«, echote der dritte Alte. »Dann könntet Ihr den Zehnten von ihr fordern. Und das wäre eine beträchtliche Summe, wenn sie die Flaschen wirklich dutzendweise verkauft, wie Ihr sagt.«
    Valnetti knirschte mit den Zähnen. »Aber wenn ihre Medizin den Markt beherrscht, verliert Ihr auch eine Menge Geld!«
    Eine bedrückende Pause trat ein, bevor der erste Tribun wieder das Wort ergriff. »Da hat er recht.«
    Der zweite Greis holte tief Atem und stieß ihn mit einem vernehmlichen Seufzer wieder aus. »Also gut, Valnetti. Dann findet heraus, wo sie herkommt und ob sie mit einem Krankenhaus oder einem Arzt zu tun hat, dann können wir vielleicht verlangen, dass sie ihre Medizin registrieren lässt … wie heißt sie doch gleich?«
    »Theriaca.«
    »Theriaca. Ein seltsamer Name.«
    »Wie soll ich in Erfahrung bringen, wo sie herkommt?«
    »Wir sind in Venedig, mein Bester«, sagte der dritte Tribun. »Lasst sie beschatten.«
    Als Feyra eine Stunde später Palladios Haus verließ, hatten der Erfolg des heutigen Tages und die Gesellschaft des alten Mannes sie in eine solche Hochstimmung versetzt, dass sie den Beobachter im Schatten nicht bemerkte.
    Sie dachte an das Gespräch mit dem Architekten zurück, lächelte im Dunkeln und schüttelte leicht den Kopf. Er hatte sich nicht verändert, war so von seiner Kirche besessen, die Stein für Stein auf Giudecca wuchs, und so erpicht darauf, ihr jeden Deckenträger und jeden Stützpfeiler in allen Einzelheiten zu beschreiben, dass er darüber vergessen hatte, sie zu fragen, weshalb sie gekommen war und noch dazu venezianische Kleidung trug.
    Er erkundigte sich jedoch nach dem Arzt und gestand ihr, dass er manchmal das Gefühl hatte, sein Herz würde flattern. Sie hatte ihm etwas Rinde von der Silberweide zum Kauen gegeben und dazu eine kleine grüne Phiole Theriak, die er unter ihrem strengen Blick leeren musste. Als sie gegangen war, war er bester Laune gewesen und hatte sie bestürmt, eines Tages einmal seine Baustelle zu besuchen. Sie hatte nur gelächelt, wusste aber, dass sie dieser Bitte nie nachkommen würde. Sie würde keinen Fuß in eine christliche Kirche setzen. Nach all den Lügen, die sie in den letzten Tagen im Namen dieses fremden Gottes verbreitet hatte, fürchtete sie eine schreckliche Vergeltung, wenn sie es wagen sollte, über die Schwelle seines Hauses zu treten.
    Aber als sie in Richtung Fondamenta Nuove durch die calli eilte, verflog ihr Lächeln. Sie hörte Schritte im Dunkeln, die sich dem Rhythmus der ihren anpassten. Rasch hielt sie sich die Pferdemaske vor das Gesicht und schlug die Kapuze ihres Reitumhangs hoch.Vielleicht bildete sie sich etwas ein … aber nein, da erklangen die Schritte erneut, verlangsamten und beschleunigten sich im Gleichklang mit ihren, blieben stehen, wenn sie stehen blieb.
    Sie wechselte die Richtung, wenn es ihr möglich war, und schlug Bögen, aber sie hörte die Schritte immer noch. Sie verwünschte den Impuls, der sie Palladios Haus hatte aufsuchen lassen. In ihrer Nervosität bog sie falsch ab und geriet in eine schmale, von dunklen, hoch aufragenden Palästen gesäumte Straße.

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