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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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während sie diese Information verarbeitete. »Kannst du denn nicht … es muss doch … hast du nichts in deinem Gürtel, das ihr helfen kann?« Für Kelebek und die Konkubinen war Feyras Arzneigürtel mit den zahlreichen verkorkten Fläschchen ein kleines Wunder, ein Allheilmittel für alle Krankheiten. Feyra sah dem Mädchen in die Augen und schüttelte den Kopf.
    Mehr bedurfte es nicht. Kelebek nahm das Kästchen und huschte davon.
    Feyra sprang die Stufen zum Bett hoch und riss den Vorhang zurück. Die Angst ließ sie unwirsch werden. »Wer ist Cecilia Baffo?«, wollte sie wissen.
    Nurbanu Sultan, die entspannt in ihren bestickten Kissen lehnte, lachte erneut, aber diesmal war es ein nervöses, falsches Trillern. »Ich habe wirklich keine Ahnung, Feyra. Und jetzt hol mir bitte mein Schreibzeug.« Doch Feyra rührte sich nicht von der Stelle. Ihre Herrin wusste nicht, dass sie krank gewesen war, erinnerte sich nicht an die furchtbaren Minuten, während derer sie sich auf ihrem Bett gekrümmt und gewunden hatte. Doch sie wusste nur zu gut, wer Cecilia Baffo war.
    Feyra nahm unaufgefordert wieder auf dem Bett Platz und sah Nurbanu Sultan fest in die Augen. Sie sprach sehr klar und ein wenig zu laut. »Hört mir zu, Herrin. Die Trauben, die die Dogaressa hier gelassen hat, waren mit den Sporen des St.-Bartholomäus-Baums vergiftet. Wenn Ihr die Sporen schluckt, fühlt Ihr Euch eine halbe Stunde lang entsetzlich krank – so, als stünde der Tod bereits vor Eurer Tür. Dann geht es Euch sehr schnell besser. Eure Haut leuchtet rosig, Eure Augen funkeln. Ihr könnt Euch nicht daran erinnern, was geschehen ist. Euer Körper bekämpft die Sporen, und Eure Körpersäfte reagieren sogar positiv auf das Opiat in dem Gift. Ungefähr eine Stunde lang fühlt Ihr Euch besser als je zuvor. Ich werde Euch Ziegenmilch und hartes Brot bringen lassen, um die Aufnahme des Gifts zu verlangsamen. Aber bald, sehr bald, wird es Euch wieder schlecht gehen, und in Kürze werdet Ihr nicht mehr sprechen können. Da Ihr dies nun wisst … möchtet Ihr mir etwas sagen? Habt Ihr eine Botschaft für Euren Sohn, Vermächtnisse für Eure Familie, Anordnungen bezüglich Eurer Bestattung? Oder wollt Ihr mir«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu, »die Identität von Cecilia Baffo verraten?«
    Die Valide Sultan setzte sich in ihren Kissen auf. Ihre Augen blitzten. »Ich sage, zur Hölle mit Ziegenmilch und hartem Brot. Was für ein Unsinn, an einem so schönen Tag vom Tod zu sprechen, Feyra! Ich werde jetzt mein Frühstück einnehmen. Und die Dogaressa von Genua ist meine Freundin. Ich will dieses dumme Gerede nicht mehr hören.«
    Feyra nickte. »Ich weiß, dass Ihr mir im Moment nicht glaubt, und ich verstehe Euch. Ihr fühlt Euch wohl, Euer Körper strotzt vor Gesundheit. Aber dieser Zustand wird nicht anhalten, und es gibt kein Gegengift. Das Gift ist geschmacklos, es dauert einige Zeit, bis die Wirkung einsetzt, also hätte Euch selbst Eure Vorkosterin, wenn sie da gewesen wäre …«, an dieser Stelle errötete sie vor Scham, »nicht retten können. Als tödliches Gift sind diese Sporen mit nichts zu vergleichen, und deswegen schätzen die Genuesen sie auch so sehr, vermute ich. Ich werde Euch jetzt allein lassen und darauf warten, dass Euer Körper Euch sagt, was ich Euch nicht klarmachen kann.«
    Nurbanu öffnete den Mund, um sie anzuschreien, doch Feyra war für den Sturm gewappnet, sie wich und wankte nicht. Die Valide Sultan konnte in heftige Wut geraten und dann ebenso Furcht einflößend sein, wie sie gütig war. In all den Jahren, in denen sie ihr diente, hatte Feyra nie die raue Seite der Zunge der Sultanin zu spüren bekommen, aber sie verstand sie. Niemand wollte sich damit abfinden, dass er dem Tod geweiht war.
    In ihren Jahren als Haremsärztin hatte sie schon alle Reaktionen erlebt: Ableugnen der Wahrheit, Zorn, Angst. Einige brachen sofort zusammen und flehten um ein Heilmittel. Sie hatte Frauen mit einem Krebsgeschwür in der Brust oder im Unterleib mitteilen müssen, dass sie sterben würden, dies jedoch noch Wochen, Monate oder gar Jahre dauern konnte. Aber ihre Herrin würde zur Mittagszeit tot sein, und das war etwas, was unmöglich zu begreifen war. Sie wappnete sich für eine Flut von Beschuldigungen und wusste, dass es sinnlos war, hierzubleiben. Die Valide Sultan musste die Wahrheit akzeptieren und dann in der kurzen Zeit, die ihr noch blieb, ihre Angelegenheiten regeln. Endlich überlegte Feyra, was sie sagen sollte. Als

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