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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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rot geränderten Augen, ascheverklebten Haaren und rußgeschwärzten Gesichtern wankten sie durch Asche und Rosenblätter.
    Vor der Ruine des Dogenpalastes hatte ein Maler seine Staffelei aufgestellt, seine Palette zur Hand genommen und damit begonnen, Farben auszuwählen. Als die beiden Ärzte an ihm vorbeigingen, versuchte er gerade, mit wütenden Kohlestiftstrichen die Schönheit der Verwüstung ringsum einzufangen.
    Der Löwe des heiligen Markus in seinem Käfig am Fuß des Campanile war nur noch ein verkohltes, rauchendes Skelett, das im Tod wie im Leben hinter schwarz verfärbten Gitterstäben gefangen war.

37
    Feyra blickte auf den Torhüter Bocca hinunter, der sich in Schweiß gebadet auf seinem Bett im Torhaus wälzte.
    »Was ist mit ihm geschehen, Salve?«, fragte sie.
    Der Zwerg hielt sich wie üblich im Schatten. Er würde nicht sprechen, solange der Arzt im Raum war.
    Es war ein unangenehmer Morgen für Annibale gewesen. Er war vom Schlafmangel ausgelaugt, seine Lungen brannten von dem Rauch, und jedes Mal, wenn er ausspie, fand sich Ruß in seinem Speichel, was alles schon schlimm genug gewesen wäre, aber dazu kam noch, dass er sich – besonders hier auf der Insel – ohne seine Maske nackt vorkam. Die unvermeidlichen Erklärungen und die faszinierten Blicke der Inselbewohner, besonders der Frauen, führten dazu, dass er sich noch schroffer verhielt als sonst, und Feyra fürchtete, Salve könne seine scharfe Zunge zu spüren bekommen.
    Sie wandte sich an Annibale. »Ruh dich aus«, drängte sie. Ihm fielen fast die Augen zu, und er schwankte vor Müdigkeit. »In dieser Verfassung nutzt du niemandem etwas.«
    Er drehte sich wortlos um und verließ das Haus. Sowie er fort war, kam Salve aus seiner Ecke.
    »Was ist passiert?«, fragte Feyra ihn erneut sanft.
    »Arzt nicht hier.« Salve hatte Mühe, die Worte zu formen. Er deutete auf seinen kranken Vater. »Er Wasser geholt. Zum Tezon gebracht.«
    Zu Boccas täglichen Pflichten gehörte es, einen Eimer Wasser aus dem Löwenbrunnen zu schöpfen, ihn zum Tezon zu tragen und vor dem Eingang stehen zu lassen.
    Feyra überlief plötzlich ein kalter Schauer. »Und was dann?«
    »Hat es hereingebracht.«
    Feyra wurde das Herz schwer. Statt das Wasser an der Tür zurückzulassen, wie es ihm aufgetragen worden war, hatte Bocca es hinter die Rauchkammer und in das Krankenhaus getragen, um die Becher der Patienten zu füllen. Ob es aus Eitelkeit oder christlicher Nächstenliebe geschehen war, zählte jetzt nicht mehr – es hatte ausgereicht, um ihn zu infizieren. Feyra drehte die Finger des Torhüters um. Sie waren schwarz verfärbt. Seufzend machte sie sich auf, um Annibale zu wecken.
    Feyra fühlte sich entsetzlich schuldig, weil sie in ihrem Eifer, die Inselbewohner mit ihrem Theriak zu schützen, irgendwie vergessen hatte, Vater und Sohn in dem relativ weit entfernten Torhaus eine Dosis zu verabreichen. Nachdem Bocca so bequem wie möglich im Tezon untergebracht worden war, kehrte sie sofort zum Torhaus zurück. Salve starrte von seiner Ecke im Schatten aus ins Feuer, als wisse er nicht, was er tun solle. Ihr Herz flog ihm zu, als sie ihn so sah: ein mutterloses Kind, dem der Vater vielleicht auch noch genommen werden würde. Sie setzte sich auf die andere Seite des Feuers, auf den Stuhl, der Bocca gehörte.
    »Gut?«, klang es aus dem Schatten.
    »Gut genug«, erwiderte Feyra vorsichtig, denn sie wollte nicht lügen. Bocca glühte vor Fieber, und er würde vielleicht die Nacht nicht überleben. Da sie sich für den Jungen verantwortlich fühlte, der kein eigenes Geld verdienen konnte, griff sie in ihr Mieder.
    Die Münze, die sie so lange am Herzen getragen hatte, war noch warm von ihrer Haut. Bevor sie die verkohlte Stadt verlassen hatten, hatten sie erfahren, dass der Doge am Leben war und bei Sonnenuntergang, wenn er sich ausgeruht hatte, zu den Bürgern sprechen würde. Sie hatte dazu beigetragen, den zweiten Teil des Plans des Sultans zu vereiteln und das rote Pferd zurückzuschlagen. Jetzt würde sie alles in ihrer Macht Stehende tun, um Bocca und seinen bedauernswerten Sohn zu retten. Sie hielt den Dukaten ins Licht und betrachtete das Bild des Dogen. Merkwürdig, dachte sie, dass ihr Großonkel ihr die ganze Zeit lang so nah gewesen war und sie ihn dennoch bislang nicht kennengelernt hatte.
    Sie gab Salve die Münze. »Das ist für dich, denn dein Vater kann erst wieder für dich sorgen, wenn er gesund ist. Mach dir keine Sorgen.«
    Salve nahm den

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