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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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schnaubte leise. »Ich werde ein Dory für euch kommen lassen. Bocca …« Er brach ab.
    Die Badessa nickte. »Wir haben Messen für seine Seele und die seines Sohnes gelesen. Und Schwester Ana hat schon das Kohlenbecken entzündet, um ein Boot zu rufen.«
    Jetzt nickte Annibale knapp. »Wir verabschieden Euch noch.«
    Feyra zögerte, unschlüssig, ob sie sich anschließen sollte, aber die Badessa forderte sie mit einer Handbewegung zum Mitkommen auf.
    Sie ging Arm in Arm mit der älteren Frau über den sonnigen Rasen zum Torhaus, und am Tor blieb die Badessa stehen und sah zu, wie die Schwestern hindurchströmten. Sie griff in ihren Ärmel und reichte Feyra ein in Leinen gewickeltes schweres Buch. »Für den Fall, dass du es brauchst«, sagte sie und schritt durch das Tor, ehe Feyra das Geschenk ablehnen konnte. Sie wickelte es nicht aus, dazu bestand kein Anlass. Sie wusste, was das Päckchen enthielt.
    Am Pier stiegen die Nonnen nacheinander in das Dory. Die Badessa drehte sich im Boot noch einmal um.
    »Eines noch, Dottore Cason, bevor ich gehe. Schwester Immaculata hat einige der Häuser unserer Inselfamilien aufgesucht. Einige sind noch leer und in gutem Zustand, aber andere verfallen, und einige sind von Vagabunden besetzt worden. Wenn Eure kleine Gemeinde hier nicht bald nach Hause zurückkehrt, wird die Republik Familien in den Gebäuden einquartieren. Viele Leute haben bei dem Feuer ihre Häuser verloren.«
    Auch ohne Maske verriet Annibales Miene nicht, was in ihm vorging. »Habt Ihr das den Familien gesagt?«
    Die Brauen der Äbtissin verschwanden fast unter ihrem Schleier. »Natürlich. Sie können nicht ewig hier leben. Selbst wenn Ihr das Wasser teilen könntet, könntet Ihr das Meer nicht ewig zurückhalten«, fügte sie weich hinzu. »Eines Tages schlägt es über Euch zusammen.«
    Feyra verstand. Ihr seltsames, verpestetes Paradies stand kurz vor dem Ende.

39
    Dottore Valnettis Zorn trieb ihn an, denn er hatte sonst nichts, was ihn aufrechthielt.
    Sein sestiere Miracoli glich einer Geisterstadt. Die Hälfte der Häuser stand leer, in den anderen waren die Sterbenden untergebracht. Er hatte seinen Vierräuberessig nicht mehr loswerden können und begonnen, ihn wegen des darin enthaltenen Alkohols abends selbst zu trinken, denn Wein konnte er sich nicht länger leisten. Das Fass Gascogne-Wein, das er für die wenigsten Todesfälle in seinem sestiere hätte gewinnen können, lag in so weiter Ferne wie ein Regenbogen, denn er schien jeden Tag Totenscheine auszustellen, das war jetzt seine einzige Funktion als Arzt dieses Stadtteils.
    Vielleicht aufgrund der anderen Bestandteile seines Gebräus war er in der letzten Zeit von eigenartigen, halluzinatorischen Träumen geplagt worden, die sich alle um eine mysteriöse dunkle Frau in einem grünen Kleid drehten, die um ihn herumwirbelte wie ein Kobold oder ein Dschinn. Dann pflegte er mit einem nagenden Hungergefühl, aber ohne Geld für Brot und ohne Diener, der es ihm beschafft hätte, zu erwachen. Seine letzten Münzen hatte er dem gierigen Bootslenker in den Rachen werfen müssen, den er dafür bezahlt hatte, die Frau in dem grünen Kleid zu der jetzt als Lazzaretto Nuovo bekannten Quarantäneinsel zu bringen.
    Annibale Casons Insel.
    Er hatte gewusst, dass Cason hinter all dem steckte. Er war felsenfest davon überzeugt, dass dieses Weib Casons Geschöpf war und dass sie mit ihrem »Theriaca« sein wahnwitziges Unternehmen finanzierte. Cason und seine grüne Hexe vor den Consiglio zu zerren, war jetzt Valnettis einziges Ziel im Leben. Hass war seine Triebfeder, aber er konnte seinen Hass nicht essen.
    Daher willigte er sofort ein, als man ihm Gold für eine äußerst seltsame Aufgabe bot.
    »Der Salamander ? Wer ist der Salamander?«
    Valnetti hatte die Tür selbst öffnen müssen, denn sein Diener war schon längst gegangen, nachdem er das silberne Tafelgeschirr des Arztes als Lohn akzeptiert hatte. Er blickte auf den kleinen, schmuddeligen Jungen hinab.
    »Der Salamander«, der Junge kostete das Wort genüsslich aus, »ist in Cannaregio eine Legende. Er hat das Feuer überlebt, und deswegen und wegen seiner anderen echsenhaften Eigenschaften nennt man ihn so, Signor.«
    »Als da wären?«
    »Er hat eine schuppige Haut, und er lebt in einem Olivenölbad wie eine Eidechse in einem Olivenhain. Seine Zunge ist gespalten wie die einer Eidechse, und er …«
    »Ja, ja«, unterbrach Valnetti ihn gereizt. »Hast du ihn gesehen?«
    »Ich nicht, aber mein

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