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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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einem Musselinvorhang abgetrennt, und zwischen diesem Vorhang und der Ladung lag eine größere leere Fläche.
    Schließlich gelang es Feyra, den quälenden Druck auf ihren Körper zu lindern und sich umzublicken. Im Dämmerlicht begann sie die Säcke und Fässer zu untersuchen, sich nach Hinweisen auf die tödliche Fracht umzusehen, die ihr Vater mit sich führte – irgendetwas, das mit einem Pferd zu tun hatte, irgendetwas Schwarzes. Dabei fiel ihr noch etwas Seltsames auf: Bei den um sie herum gelagerten Vorräten handelte es sich nicht um die übliche Verpflegung an Bord eines Schiffes, die aus Pemmikan und Schiffszwieback bestand, sondern um guten, festen Käse, Fleisch und feines, weißes Mehl. Sie streckte die Hand Richtung achtern aus und drückte sie in die Säcke, wobei das Korn unter dem Sackleinen leise knirschte.
    Während die Seemänner kamen und gingen, verhielt sie sich so still wie möglich und versuchte sogar, ganz flach zu atmen. Aber das war anscheinend nicht genug, denn einer der Verlader setzte sein Fass ab, richtete sich auf, hob eine Hand und spreizte die Finger, um seinem Kameraden Schweigen zu gebieten.
    »Was ist denn?« Der zweite Mann stellte sein Fass ebenfalls ab.
    »Ich habe etwas gehört«, zischte der mit den scharfen Ohren. »Dort hinter dem Stapel.« Er deutete auf die Fässer, hinter denen Feyra lag. Ihr Herzschlag dröhnte in ihren Ohren, und der Schweiß, der von ihren Fingerspitzen tropfte, verklumpte das Getreide.
    »Das ist nur eine Ratte«, meinte der zweite. »Du bildest dir das ein.«
    »Nur eine Ratte? Du solltest dir mal die Ohren waschen. Hast du den Befehl unseres Kapitäns nicht gehört? Keine Tiere an Bord – hier gibt es noch nicht einmal eine Schiffskatze. Also werden wir sie selber finden müssen.«
    »Warum keine Tiere?«
    »Das weiß ich doch nicht. Hat irgendetwas mit der Fracht zu tun.«
    »Na schön. Suchen wir, wenn es sein muss, aber der größte Teil der Vorräte muss noch verladen werden.«
    Sie kamen so gefährlich nah, dass Feyra ein beißender Ziegengestank in die Nase stieg – einer der Männer war vermutlich an Land ein Hirte. Der zweite, dessen Augen eindeutig besser waren als seine Ohren, sah direkt in ihre Richtung. »Hab sie! Komm her, du blinder Passagier!«
    Feyra kroch zurück, aber der Mann hielt eine riesige, vor Angst quiekende schwarze Ratte in die Höhe. Er brach ihr das Genick, sodasss wieder Stille eintrat, schwang sich den langen Körper wie einen Sack über die Schulter und trug ihn, gefolgt von seinem Freund mit dem guten Gehör, in die Nacht hinaus.
    Feyra lehnte sich erleichtert zurück. Ihr Herz hämmerte so heftig, dass sie meinte, ihre Brust würde zerspringen.
    Dann ließ sie ein dumpfer Aufprall, ein Scharren und ein Fluch zusammenzucken. Die Seeleute mussten noch ein Stück Fracht zu verladen haben. Sie sah zu, wie sie ihre Last hereinbrachten. Vier Männer trugen etwas auf den Schultern wie Sargträger.
    Einen Sarkophag.
    Alle Sargträger waren verschleiert. Man hätte denken können, sie würden so ihren Respekt vor dem bezeugen, was sie trugen, doch ihr Verhalten und ihre Ausdrucksweise sprachen dagegen. Die Männer gingen so grob mit dem Sarg um, stöhnten und stießen so derbe Flüche aus, dass sie unmöglich einen Leichnam transportieren konnten. Der Sarkophag selbst schien aus Silber oder Zinn zu bestehen, irgendeinem grau schimmernden Metall. Er war mit verschlungenen farbigen Mustern aus Emaille verziert und wurde unter großem Gestöhne, Geschlurfe und gekrächzten Anweisungen zu dem Musselinvorhang geschafft. Dieser wurde zurückgezogen und die Last dahinter mit einem dumpfen Aufschlag auf den Planken abgestellt.
    Die Träger zogen sich eilig zurück und nahmen die Fackel mit. Plötzlich herrschte Totenstille. Feyra konnte noch immer den geschlossenen Vorhang erkennen, weiß wie der Rock eines Derwischs, der jetzt schlaff herunterhing.
    Genau wie zuvor, anders als zuvor.
    Denn jetzt spürte Feyra die fast greifbare Bedrohung, die von dem Metallkasten dahinter ausging. Sie war irgendwie Furcht einflößender und beunruhigender als alles andere, was sie an diesem Tag gesehen hatte. Sie betrachtete den Vorhang von der Farbe des Todes, dann die leere Fläche zwischen ihr und ihm und lauschte in die Stille. Diese wurde mit einem Mal brutal von der schrillen, unverkennbaren Stimme des Kislar Aga zerrissen, der das Schiff verließ.
    Dann gab es einen Ruck, ein Ruf ertönte, ein mächtiges Tau fiel klatschend ins

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