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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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daran zu haben. Stattdessen schritt er einmal in die eine, einmal in die andere Richtung. Dabei schien er leise zu zählen, und immer wieder blieb er stehen, nahm eine Tafel und ein Schreibgerät zur Hand und trug seine Ergebnisse darauf ein. Ein Mal hörte sie ihn klar und deutlich etwas murmeln, aber es ergab keinen Sinn für sie. Er sagte: »Sechzehn zu vierzig passi.«
    Über eine Stunde lang fuhr er mit seinen seltsamen Messungen fort. Einmal bückte er sich, um ein wenig Erde aufzulockern, als suche er ebenfalls nach einer Heilpflanze. Er verstaute die Probe in seinem Ranzen, und bevor er ging, hielt er noch einen Ziegel, den er auf der Grasnarbe gefunden hatte, ins Licht und schob ihn dann gleichfalls in seine Tasche.
    Feyra beobachtete, wie der Mann zu seinem Boot zurückging. Sie erwog einmal mehr, ihn zu bitten, sie zur Stadt hinüberzurudern, aber wieder hielt sie irgendetwas davon ab. Als er davonruderte, stieß sie einen Seufzer aus, in dem Erleichterung und Bedauern zugleich mitschwangen.
    Sie war nicht entdeckt worden, aber jetzt war sie zum ersten Mal, seit sie ihre Heimat verlassen hatte, wirklich ganz alleine.

14
    An seinem zweiten Tag in seiner Heimatstadt Venedig kleidete sich Annibale Cason nicht sorgfältig vor dem Spiegel an. Er ließ die Schnabelmaske darüber hängen, und sie blickte ihm nach, als er die Kammer verließ.
    Aber er ging weder aus dem Haus, noch machte er sich auf den Weg zum Campo Santa Maria Nova, um dort bei Tagesanbruch Valnetti zu treffen, wie es ihm nach seiner gestrigen Aufsässigkeit streng eingeschärft worden war. Stattdessen tappte er im Nachthemd nach unten und zog dabei einen kleinen Schlüssel darunter hervor, den er seit sieben Jahren um den Hals trug.
    Der kleine goldene Schlüssel an der Goldkette war warm von seiner Haut. Er trug ihn auf der Brust, seit er nach dem Tod der letzten seiner vielen Tanten als vierzehnjähriger Junge nach Padua aufgebrochen war. Erst da hatte ihm der Familiennotar den Schlüssel zu der Cason-Schatztruhe übergeben, dem Vermächtnis des Vaters, den er nie gekannt hatte.
    Annibale stieg mit seiner Kerze in den Weinkeller hinunter. Die Kälte der Steine kroch in seine bloßen Füße. Die Weinfässer reagierten knarrend auf die Temperaturveränderung, die Annibales Präsenz im Raum mit sich brachte. Als er als kleiner Junge hier heruntergekommen war, hatte er den Keller für einen verwunschenen Ort gehalten. Damals wie heute konnte er den Kanal draußen gegen die Steine schwappen hören, denn der Keller, in dem die Familie Cason jahrhundertelang ihren Wein und ihr Salz gelagert hatte, lag unterhalb der Wasserlinie.
    Die Familie Cason, deren einziger Nachkomme Annibale jetzt war.
    Hier unten war er sicher und ungestört, genau wie er es wollte. Es empfahl sich nicht, dass die Diener die Schatulle zu Gesicht bekamen.
    Annibale war all die Jahre sehr vorsichtig mit dem Familienvermögen umgegangen. Er hatte das Geld nicht in der Stadt verprasst, wie es seine Kameraden taten, sondern nur für seine Ausbildung sowie für Kost und Logis benutzt und am Ende seines siebenjährigen Studiums sein Ärztegewand davon erstanden. So kam es, dass die hinter dem vierten Fass Valpolicella verborgene Schatulle noch fast voll war.
    Er ließ etwas Wachs auf den Boden tropfen, das auf den feuchten Steinen wie eine Katze zischte, und befestigte die Kerze in der Pfütze. Dann beugte er sich vor, um den Kasten aufzuschließen, ohne dabei den Schlüssel von seinem Hals zu lösen – er hatte einst geschworen, ihn niemals abzulegen. Er schob ihn in das Schloss und klappte den Deckel der Eichenholzkassette auf. Die Messingbänder, mit denen er beschlagen war, klirrten leise.
    Der Kasten war mit Dutzenden kleiner Goldmünzen gefüllt, die man als Zechinen bezeichnete. Sie lagen in einem kleinen Einsatz, der einen falschen Boden bildete. Unter diesem Einsatz befand sich ein weit größerer Schatz, eine Lage goldener Dukaten. Er nahm einen davon heraus und betrachtete die Gestalten darauf eindringlich. Auf einer Seite kniete der Doge mit seinem auffälligen corno -Hut vor dem heiligen Markus, auf der anderen war Christus abgebildet. Er umschloss die Münze einen Moment lang mit der Hand, bis sie warm wurde, dann ließ er sie wieder zu den anderen in den Kasten fallen und schob den Einsatz an seinen Platz zurück. Es würde reichen und war für seine Zwecke mehr als genug.
    Dem Deckel der Kassette entnahm er eine Geldbörse aus Mäuseleder, zählte vier Dukaten

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