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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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hinein und verteilte eine Hand voll Zechinen auf seine Taschen, bevor er den Kasten wieder verschloss. Dann entdeckte er einen alten Messingkelch, der unter die Weinfässer gerollt war, und polierte ihn mit seinem Nachthemd, bis er im Kerzenlicht schimmerte. Annibale nahm ihn gleichfalls mit. In Venedig war es immer ratsam, etwas bei sich zu tragen, mit dem man andere bestechen konnte.
    Er ging wieder nach oben und kleidete sich in der Hälfte der Zeit an, die er gestern benötigt hatte. Mit dem Cason-Schatz unter seinem Umhang verließ er beschwingten Schrittes das Haus, aber diesmal hatte seine Zuversicht einen anderen Grund. Annibale mochte die erste Partie gegen die Pest verloren haben, aber das Spiel war noch nicht vorüber.
    Es war nicht schwer, an der Fondamenta Nuove ein Boot aufzutreiben. Sowohl der Handel als auch das Reisen waren nahezu zum Stillstand gekommen, und die Bootsführer und Gondolieri, die gesund geblieben waren, standen müßig auf dem Dock herum. Seine Wahl fiel auf einen kräftigen Burschen, der aussah wie ein guter Ruderer. Der Mann hob eine Braue, als er Annibales Anweisungen hörte, aber eine Goldzechine überzeugte ihn.
    Als sie auf die Inseln zusteuerten, die er am Abend zuvor gesehen hatte, stand Annibale unbeweglich im Bug. Die Jahre in Padua hatten ihn seiner Seemannsbeine nicht beraubt. Er verfügte noch immer über die allen Venezianern angeborene Fähigkeit, stocksteif und sicher in einem Boot zu stehen. Er war wieder mit seiner Maske angetan, blickte unverwandt nach vorne und wirkte wie eine Galionsfigur. Der redselige Bootslenker bekam aus ihm nicht mehr Worte heraus als aus einer Statue.
    Annibale sah zu, wie erst die Insel Murano vorüberglitt, wo die Glasöfen jetzt kalt blieben, dann Burano, wo keine Spitzenstickerinnen mehr in den Türen der bunten Häuser saßen. Auf Torcello läutete die Glocke der Kathedrale klagend, zählte die Toten und verriet ihm, dass die Pest auch dieses Ufer erreicht hatte. Doch als das Boot auf die Lazarette zuhielt, herrschte dort Ruhe. Annibale wies den Bootslenker an, Vigna Murada anzusteuern, die Quarantäneinsel.
    Als sie näher kamen, konnte Annibale eine graubraune, von Bäumen gesäumte Einöde und irgendeinen von einer Mauer umgebenen Gebäudekomplex erkennen. Es gab einen langen Anlegesteg, der an einem hölzernen Bootshaus endete. Was die beiden Männer dort sahen, bewirkte, dass der Bootsführer die Ruder einzog und sich den Kragen seines Umhangs über den Mund zog. Auf dem Bootshaus prangte ein mannshohes krakeliges rotes Kreuz.
    »Warte hier, wenn dir das lieber ist«, fauchte Annibale, dem nicht entging, dass der Mann davor zurückscheute, noch weiter zu fahren. Der Bootsführer machte sein Boot bei den drei kleinen Stufen fest. Annibale vergewisserte sich, dass die Mäuselederbörse und der Messingkelch noch immer sicher in seinem Ärmel verstaut waren, und sprang an Land, wobei er die Cason-Schatzschatulle auch weiterhin unter seinem Umhang verbarg. Er warf dem Bootsführer eine weitere Zechine zu und befahl ihm kalt, auf ihn zu warten.
    Am Kopfende des Piers war ein Torhaus in die große Mauer eingebaut, dessen Tür fest verschlossen zu sein schien. Direkt davor saßen zwei Männer, ein alter und ein junger, und angelten in der Lagune. Der Graubart sah dem näher kommenden Arzt bereits wachsam entgegen, aber der junge Bursche starrte mit glasigen Augen ins Leere. Ein dünner silberner Speichelfaden hing wie eine Angelschnur von seiner Lippe bis auf seinen Schoß hinab. Die Füße des Jungen baumelten ein gutes Stück über der Wasseroberfläche, seine Arme und sein Rumpf waren verkürzt, nur der Kopf hatte eine für einen jungen Mann normale Größe und wirkte auf dem gedrungenen Körper überdimensional. Sein Schädel war eigenartig geformt, die Knochen waren wahrscheinlich bei der Geburt deformiert worden, nahm Annibale an. Er hatte solche Zwerge schon öfter gesehen. Die meisten wurden gleich ertränkt, nachdem sie das Licht der Welt erblickt hatten, andere jedoch als Schauspieler in der commedia eingesetzt, denn manche verfügten über alle normalen Fähigkeiten und konnten sprechen und singen. Annibale hatte ein solches Geschöpf am Hof von Padua gesehen, der Herzog hatte es seinem Kuriositätenkabinett einverleibt und ihm beigebracht, zotige Geschichten zu erzählen. Aber dieser Junge war eindeutig ein Einfaltspinsel. Annibale achtete nicht auf ihn, sondern grüßte stattdessen den älteren Mann.
    »Ich bin Doktor Annibale

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