Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Münze, die ich … auf … dem Boden gefunden habe. Sie muss aus der Börse gefallen sein, als Ihr sie auf den Tisch gelegt habt.«
Annibale stürzte sich darauf und packte sie mit seiner behandschuhten Hand. Er sah, wie der Mann vor seinem Schnabel zurückzuckte. »Ich danke dir, Bocca. So ehrliche Männer trifft man selten. Und um meinem Dank für deine Aufrichtigkeit Ausdruck zu verleihen, mache ich dir ein Angebot. Der Consiglio della Sanità hat mir diese Insel zugesprochen, um hier ein Pestkrankenhaus einzurichten. Deine Hilfe wäre mir sehr willkommen, deswegen kannst du bleiben und für mich arbeiten.«
Bocca kniete nieder und küsste Annibales Handschuh. »O ja, Dottore, lasst uns bleiben. Wir werden Euch bei allem helfen, so gut wir können.«
Annibale war mit seiner raffinierten Vorgehensweise sehr zufrieden. Er brauchte Bocca, der die Insel seit zwanzig Jahren kannte, und der Mann und sein schwachköpfiger Sohn würden sich ihm gegenüber jetzt absolut loyal verhalten und seine Befugnisse nicht anzweifeln.
»Nun gut. Ich werde morgen wiederkommen. Öffne in der Zwischenzeit niemand anderem das Tor. Ab heute wird diese Insel Lazzaretto Nuovo heißen.«
Zufrieden mit der Arbeit dieses Morgens schlang Annibale seinen schwarzen Umhang um sich und wandte sich zum Gehen.
Die graue Katze folgte ihm bis zum Pier und trottete hinter ihm über die Holzplanken zum Boot. Als Annibale stehen blieb, strich sie ihm um die Beine und blickte hoffnungsvoll zu ihm auf. Annibale packte sie am Nackenfell und hob sie auf. Eine der Regeln auf seiner Insel – denn er betrachtete sie bereits als seine Insel – lautete, dass es hier keine Katzen oder Hunde geben würde, die die Pest verbreiten konnten. Die Katze baumelte ruhig in seinem Griff, und er hob sie hoch, um ihr ins Gesicht sehen zu können, bevor er sie ins Meer warf.
Das erwies sich als Fehler. Die roten Glasaugen blickten in jadegrüne, schwarz umrandete, und Annibale las bedingungsloses Vertrauen darin. Fluchend warf er die Katze stattdessen zur Überraschung des Bootslenkers in das Boot und nahm sie den ganzen Weg zur Fondamenta Nuove mit, bevor er sie in den Straßen von Venedig freiließ.
Zum Dank für seine Mühe trug er einen langen Kratzer davon.
15
Feyra kam später von der Insel fort als geplant, weil sie der Besuch des seltsamen alten Mannes aufgehalten hatte.
Das Licht begann bereits zu schwinden, warf einen silbernen Schimmer über die Lagune und ließ die Stadt auf der anderen Seite des Wassers grau erscheinen.
Sowie sie die Ruine verlassen hatte und begann, an der Küste entlangzuwandern, fühlte sie sich verwundbar, obwohl sie wieder ihren Schleier und ihren Medizingürtel trug. Sie zog die fremdländische Münze aus ihrem Mieder, drehte sie wieder und wieder in der Hand und holte tief Atem. Ja, sie war ganz allein auf sich gestellt, aber sie verfügte immer noch über ihren Verstand und ihr Wissen und eine Goldmünze. Das reichte. Es musste reichen.
Sie folgte einem steinernen Fußpfad auf der Stadtseite der Insel zu einer kleinen Ansiedlung von Häusern hinunter. Als sie näher kam, sah sie ein schwarzes, halbmondförmiges Boot den silbernen Kanal zwischen der Insel und der Stadt überqueren. Der Bootsführer steuerte auf einen kleinen Pier mit einem vielfarbigen Pfahl zu. Mit wild klopfendem Herzen kam sie unmittelbar nach ihm dort an. Er hatte ein paar Passagiere an Land gehen lassen, und sie registrierte interessiert, dass zwei der weiblichen Reisenden zum Schutz vor dem Seedunst einen Schal vor das Gesicht gezogen hatten. Vielleicht würde ihr Schleier gar kein besonderes Aufsehen erregen, und die Decke ihres Vaters, die sie sich als provisorischen Umhang umgeworfen hatte, verbarg den Rest ihrer fremdländischen Kleidung.
Der Bootslenker stand jetzt auf dem Pier und rief in langen, klagenden, gedehnten Silben ein Wort, das sie nicht kannte. »Traghetto! Traghetto!« Feyra nahm all ihren Mut zusammen und ging zu ihm hinüber. Er streckte eine Hand aus, und sie drückte die Münze hinein. Er betrachtete erst das Geldstück und dann sie voller Verwunderung. Anschließend brabbelte er etwas anderes, was sie nicht verstand.
Von Panik erfüllt deutete Feyra einfach auf die Münze und auf ihn. Seine Augen wurden schmal, er zuckte die Achseln und hielt ihr erneut die Hand hin. Vorsichtig sagte sie: »Das ist alles, was ich habe.«
Jetzt sah er sie ein wenig freundlicher an. »Es ist mehr als genug. Gebt mir Eure Hand.«
Sie hielt ihm
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