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Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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was nicht auch noch bis später Zeit hätte.« Sie deutete mit einem knubbeligen Finger zu den Deckenbalken. »Unser Gespräch dauert ein Leben lang, es wird nicht heute beendet.« Sie strich ihre Tracht über den breiten Hüften glatt. »Was tut Ihr hier, Dottore ?«
    Er zupfte an einem Splitter im Holz herum und lächelte wehmütig hinter der Maske. »Ganz offen? Ich weiß es nicht.«
    Sie lächelte ebenfalls. »Ich denke, ich schon. Ihr steht im Begriff, ein großes Werk zu vollbringen.« Sie nahm auf einer der Bänke Platz und bedeutete ihm, es ihr gleichzutun. »Als Ihr gestern zu mir kamt und den armen Vater Orlando versorgt habt, habt Ihr mich daran erinnert, dass unser Orden zum Wohle der incurabili gegründet wurde – der Unheilbaren, die Gott mit Lepra oder anderen nicht behandelbaren Krankheiten gestraft hat, die von den Kreuzzügen mit zurückgebracht wurden. Diese ersten Patienten wussten, dass es keine Heilung für sie gab. Die ersten Schwestern wussten es ebenfalls. Aber sie glaubten an ein Wunder.« Sie sah ihn an. »Als Ihr mir Eure Idee unterbreitet habt, beschämte mich das zutiefst. Deswegen kam ich mit meinen Mitschwestern mit Euch. Es war damals unsere Aufgabe, Wunder zu bewirken, und wie es aussieht, ist sie es heute auch noch.«
    Annibale hörte schweigend zu.
    Die Badessa schloss eine Hand um ihr schlichtes Holzkreuz. »Sohn, ich habe Valnettis Geschichte gehört, und viele sagen, sie wäre wahr. Nikolaus und der Kinderkreuzzug saßen am Ufer und warteten auf ein Wunder. Aber es gibt noch eine andere Geschichte, einen Teil der größten, die je erzählt wurde. Ein Mann führte sein Volk in das gelobte Land, doch ein Ozean lag zwischen ihm und seinem Ziel. Er setzte sich nicht hin und wartete darauf, dass das Wasser sich teilte, er stieß seinen Stab auf den Boden und verlangte, dass es sich teilte.« Die Badessa erhob sich. Das Buntglas des einzigen Fensters ließ ihr schlichtes Gewand in allen Farben schillern. Sie drehte sich um und blickte auf ihn hinab. »Und das tat es, Dottore. Das tat es.«
    In den nächsten Tagen ging es auf der kleinen Insel so geschäftig zu wie in einem Bienenstock. Die Schwestern des Miracoli-Ordens füllten die Bögen des Tezon mit Flechtwerk und Lehm. Der Junge Salve schien trotz seiner Behinderung einfache Anweisungen zu verstehen und war eine große Hilfe, eine größere als Bocca, um der Wahrheit die Ehre zu geben. Unter den Familien auf der Insel gab es einen Flechter, der die Arbeiten leitete, während die Schwestern, für ihre praktische, zupackende Art bekannt, sich nicht zu gut dafür waren, sich die Hände schmutzig zu machen.
    Annibale schickte ein paar der Schwestern auf den Markt in Treporti auf dem Festland, wo die Pest noch nicht tobte, um gutes Leinen zu kaufen. Bocca und Salve wurde aufgetragen, jeden Morgen frisches Wasser aus dem Brunnen zu holen, jeden Tag in der Lagune zu fischen, Forellen in die Teiche zu setzen und an dicken, mit Knoten versehenen Seilen Austern zu züchten. Eine der Nonnen, eine stämmige Frau namens Schwester Ana, die sich auf Geflügelaufzucht verstand, brachte in einem kleinen Ruderboot zwei brütige Hennen und einen Hahn mit, die sie sich wie eine lebende Stola über die Schulter geworfen hatte. Annibale glaubte, dass Nahrungsmittel nicht von schlechter Luft vergiftet werden konnten, wenn sie frisch angebaut oder geangelt wurden.
    Zu einer der Familien gehörte ein Lehrer, der in der kleinen Kirche ein Schulzimmer für die Jungen einrichtete und sie dort unterrichtete, während die Nonnen abwechselnd zu den kanonischen Stunden die Messe sangen und für die Familien einen täglichen Gottesdienst abhielten, bei dem Bocca nie fehlte und Annibale selten zugegen war. Bocca hatte der Badessa voller Stolz den Kelch, den Annibale ihm gegeben hatte, als Gefäß für die Hostie verehrt. So kam es, dass ein schlichter Bronzekelch aus einem nicht mehr benutzten Weinkeller San Bartolomeos kostbarste Reliquie wurde.
    Annibale überwachte jede Einzelheit seines kleinen Utopia. Die Nonnen begannen, in der fruchtbaren Erde hinter dem Brunnen einen Kräutergarten anzulegen, und er fertigte für sie Zeichnungen der botanischen Gärten von Padua an, sodass seine Heilpflanzen an Ort und Stelle gezogen und zu Arzneien verarbeitet werden konnten.
    Die Frauen nähten Matratzen für ihre Männer und stopften sie auf Annibales Geheiß mit Weinraute und Heidekraut aus, und er reihte sie ordentlich auf dem Boden des Krankenhauses auf. Die

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