Die Heilerin von San Marco: Historischer Roman (German Edition)
Zimmerbrand handelte.
Sie stieß die Tür auf und wäre angesichts der ihr entgegenschlagenden Hitze fast zurückgeprallt. Zum ersten Mal war der große Tisch nicht mit Zeichnungen übersät, sie verstopften alle den Kamin, wo sie lichterloh brannten und glühende Funken aufwirbelten. Ohne nachzudenken schüttete Feyra den Inhalt der Glaskugel über den langen Tisch, dann riss sie das Tischtuch herunter, warf es über das Feuer, erstickte die Flammen und stampfte mit ihren Lederstiefeln auf die Reste umherfliegender Glut.
Hustend drehte sie sich in der plötzlichen Dunkelheit um, ertastete sich den Weg zum Fenster und stieß es auf. Dann schob sie den Kopf ins Freie und sog unter den funkelnden Sternen die frische Luft tief ein.
Als sie den Kopf zurückzog, erklang plötzlich von einem Stuhl in der Ecke her eine Stimme und bewirkte, dass sie erschrocken zusammenzuckte. Nachdem sich ihre Augen an das Mondlicht gewöhnt hatten, konnte sie die weiß geränderten Umrisse einer Gestalt erkennen. »Was tust du da?«, fragte sie.
»Was ich da tue? Was tut Ihr da?«
Vor Schreck vergaß Feyra, Venezianisch zu sprechen, und fuhr die Gestalt auf dem Stuhl auf Türkisch an. »Ihr müsst den Verstand verloren haben! Wie könnt Ihr auf eine so stümperhafte Art ein Feuer machen? Der Kamin hat ja gar nicht richtig gezogen! Wie könnt Ihr Euch das seelenruhig ansehen? Wisst Ihr nicht, dass das Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt wäre, wenn der Wandbehang über dem Kaminsims Feuer gefangen hätte? Und weil das Haus so hoch und so lächerlich schmal ist, hätten die Dienstboten im Dachgeschoss in der Falle gesessen. Ist Euch das ganz egal?« Sie hielt inne, um Atem zu schöpfen, und auch die Gestalt auf dem Stuhl schwieg. Sie konnte nur das Schimmern eines schneeweißen Bartes ausmachen.
»Wer bist du?«
Feyra, die ihren Fehler erkannte, schwieg gleichfalls. Mit klopfendem Herzen wechselte sie ins Venezianische. »Ich bin Cecilia Zabatini, das neue Hausmädchen.«
»Tatsächlich?« Die Stimme aus dem Dunkel klang belustigt. »Es freut mich, dich kennen zu lernen. Du gefällst mir jetzt schon besser als deine Vorgängerin. Entzünde die Kerzen, bitte«, sagte Andrea Palladio. »Wenn wir Höflichkeitsfloskeln austauschen wollen, ist es besser, wenn wir uns dabei ansehen können.«
Feyra war noch immer verärgert und schnaubte leise. »Wie soll ich das machen? Ich kann sie nicht sehen.«
Palladios Stimme quietschte wie eine Ziehharmonika, außerdem schwang ein leises Knirschen darin mit. »Eine steckt in dem Halter bei der Haupttür, zwei stehen auf dem Architrav des Kaminsimses, eine zwischen dem zweiten und dem dritten Fenster und drei über dem Fries und unter dem Karnies. Zünde eine an, dann siehst du den Rest.«
Das waren Worte, die Nurbanu sie nicht gelehrt hatte. »Ich verstehe nicht, was Ihr sagt.«
»Such einen Anzünder. Ich mache es selbst.« Feyra fand ein Stück Papier, das von den Flammen verschont geblieben war, und rollte es zu einem dünnen Stäbchen zusammen. Ihr Herr erhob sich von seinem Stuhl und schlurfte an ihr vorbei. Er hielt das Papier erst an die Glut und dann an jede Kerze im Raum. Als die Kammer in ein warmes Licht getaucht wurde, erkannte sie ihn sofort – er war derselbe alte Mann, der kurz nach dem Tod ihres Vaters zu der Ruine auf Giudecca gekommen, dort auf und ab geschritten war, im Boden herumgestochert und sich Notizen gemacht hatte.
Sie sah zu, wie er mit seinem schlurfenden, gichtigen Gang zu seinem Stuhl zurückkehrte und sich so schwer darauf niederließ, als trüge er die Last der Welt auf seinen Schultern. Sie ging zum Kamin und stocherte in den verkohlten Pergamenten herum. Sie waren mit Zeichnungen und Diagrammen bedeckt, und jedes einzelne war zerstört. Sie sah genauer hin und hob dann einen glimmenden Fetzen auf. Die Zeichnungen waren vor dem Verbrennen zerrissen worden, als habe er sein Werk vollständig auslöschen wollen. Mit dem Pergamentstück in der Hand blickte sie auf. »Warum habt Ihr das alles verbrannt?«
Er seufzte so tief, dass sein Atem die Asche aufwirbelte. »Ich schaffe es nicht.«
»Was schafft Ihr nicht?«
»Eine Kirche zu bauen.«
Sie erstarrte. Etwas, was Zabato Zabatini zu ihr gesagt hatte, kam ihr wieder in den Sinn. So beiläufig wie möglich fragte sie: »Für den Dogen?«
»Nicht für ihn. Wenn ich nur Sebastiano Venier zufriedenstellen müsste, wäre es kein Problem. Nein, für einen anspruchsvolleren Herrn. Für Gott.«
Feyra ließ den
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