Die Heilerin
mit ihm über den Glauben der Quäker und trafen Freunde und Verwandte.
»Er hat seine Worte wohlgewählt«, sagte Isaak, als sie ein paar Tage später abends in der Küche saßen. Margaretha und Rebecca räumten den Tisch ab, während sich die Männer die Pfeifen stopften. Gretje schenkte ihnen Dünnbier ein. »Und doch überzeugt er mich nicht ganz.«
»Warum nicht, Vater?«, fragte Hermann nachdenklich.
»Weil ich annehme, dass es für viele schwierig ist, durch Schweigen zum Glauben zu kommen. Viele Menschen brauchen die Worte Gottes.«
»Aber auch die Quäker, so hat es zumindest Crisp erklärt, lesen die Bibel«, wandte Abraham ein. »Mir gefällt der Gedanke, schweigend zum Glauben zu kommen. Der Glaube liegt doch in uns.«
»Und doch sind Schriftlesungen und eine Predigt etwas, was die Gemeinde leitet«, sagte Isaak bedächtig.
»Wahrlich. Aber wenn man sich von dem Gedanken löst und sich ganz Gott hingibt, ist das nicht eine ehrlichere Art zu glauben?«, meinte Abraham.
»Ich sehe das ähnlich.« Hermann nickte. »Wir bestehen auf unserer Eigenständigkeit, warum dann nicht auch im Glauben?«
»Wir sind Gott untertan und niemandem sonst. Wir brauchen keine Gemeindeältesten.« Abraham nahm dankend den Becher Bier, den Gretje ihm reichte.
»Du magst das so sehen, du liest die Bibel und setzt dich damit auseinander. Doch es gibt auch schlichtere Gemüter. Diese Leute brauchen Hilfe und Anleitung, sie brauchen eine Auslegung der heiligen Worte«, sagte Isaak.
»So ähnlich formuliert das die katholische Kirche auch, Vater. Und dann übernimmt sie den Glauben für die Gläubigen. Mit Auslegungen fängt es an, dann kommt die Beichte und der Ablasshandel.« Abraham lachte höhnisch.
»Ich denke, du übertreibst jetzt maßlos. Die Katholikenhaben keinen freien Glauben, das weißt du so gut wie ich. Auch die Reformierten sind auf halbem Weg stehen geblieben.« Isaak schnaubte. »Und doch haben wir als Gemeinde unseren Mitgliedern gegenüber eine besondere Verantwortung.«
»Siehst du, das glaube ich nicht«, sagte Abraham und runzelte die Stirn. »Die Verantwortung für den Glauben liegt in jedem Einzelnen. Wer glauben will, findet den Weg durch Gott eher im inneren Zwiegespräch als durch Schriftlesungen und Predigten. Und der Glaube ist dann ehrlicher und aufrichtig.«
»Ja, auch wenn es möglicherweise eine Lebenszeit dauert«, stimmte Hermann ihm zu. »Ich bin mir sicher, dass wir diese Gedanken noch ausführlich in der Gemeinde besprechen werden.«
»Heißt das«, fragte Margaretha leise, »dass ihr nun Quäker seid?«
Hermann lachte auf. »Ach, Meisje, was bedeutet denn schon so ein Name? Wir machen uns Gedanken darüber, wie wir unseren Glauben leben. Ob das nun so oder so heißt, ist dabei völlig gleichgültig.«
»Aber von den Quäkern sagt man, dass sie oft verrückt sind«, wandte Margaretha ein.
»Ja, diese Gerüchte gehen um«, sagte Hermann. »Weißt du, es ist so, bei den Gottesdiensten versammelt sich die Gemeinschaft der Gläubigen, und zusammen versinken sie in eine Art Meditation. Jeder versucht, in ein Zwiegespräch mit Gott zu kommen. So ähnlich wie still beten, nur noch nachdrücklicher. Und hin und wieder hat jemand aus der Gemeinschaft der Freunde so etwas wie eine Eingebung. Ihm wird der Sinn des Wortes Gottes offenbar, und er erhebt sich und teilt es den Brüdern mit. Solche Momente sind sehr gefühlvoll, sehr eindringlich. Nicht selten zittert der Vortragende vor Erregung. Und deshalb sind die Quäker, die Zitterer, als verrückt verschrien. Dabei ist es nur der körperliche Ausdruck des tiefen Glaubens.«
»Und dir ist auch so etwas widerfahren?«
Hermann schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Noch muss ich mich nachhaltiger mit dieser Art, den Glauben zu leben, auseinandersetzen. Aber ich habe es miterlebt, und es hat mich beeindruckt.«
»Mich auch.« Abraham nickte. »Es war eine seltsame Erfahrung, es hatte etwas Mystisches. Der Mann war in Ekstase, die er dann an uns weitergab. Ich möchte unbedingt auch so ein Erlebnis haben. Ich möchte so glauben können.«
Zum ersten Mal seit der Silvesternacht strahlte Abraham wieder. Nun gut, dachte Margaretha, wenn ihm diese Art zu glauben den Lebensmut wiedergibt, dann kann es so verkehrt nicht sein.
Die Wochen vergingen. Der Frühling entwickelte seine ganze Pracht, überall blühte, spross und wuchs es. Endlich kam wieder frisches Gemüse auf den Tisch. Auch zwei neue Ferkel zogen in den Stall der op den Graeffs.
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