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Die Heilerin

Die Heilerin

Titel: Die Heilerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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wenn es mich in die weite Welt ziehen würde, was es nicht tut, müsste ich mich ihnen fügen. Ich habe nicht die Freiheit einer Entscheidung. Mir macht der Gedanke, über das weite Meer zu segeln, große Angst. Ich habe Furcht vor dem Leben in der Fremde. Lieber ertrage ich die Anfeindungen hier, habe aber mein Zuhause, meine Freunde und die Gemeinde.«
    »Ihr würdet … Ach, so habe ich das noch nie gesehen.« Nachdenklich trank er einen Schluck Wein. »Ihr wollt nicht in die Neue Welt?«
    »Ich weiß es nicht. Es macht mir einfach Angst. Hier haben wir unser Haus, damit ein Dach über dem Kopf. Und ich mag das Haus, so verwinkelt es ist. Wir haben alles hier, was wir brauchen. Im Stall sind zwei Ferkel, die wir im Herbst schlachten können. Im Kräutergarten wachsen Heilpflanzen und im Wallgarten Obst und Gemüse. Im Keller lagert der Wein, und nebenan stehen die Webstühle. All das kann man nicht mitnehmen.«
    »Aber man kann sich eine neue Existenz aufbauen, in einem Land, in dem man nicht verfolgt wird, in dem der Glauben frei ist.«
    »Ja, das ist richtig. Der Glaube ist überall, und dort ist er wahrscheinlich freier. Aber satt wird man davon nicht.« Margarethastand auf. »Ich wünsche Euch eine gute Nacht.« Sie ging in ihre Kammer, ohne ihn noch einmal angesehen zu haben.
    Nur schwer fiel sie in den Schlaf. Immer wieder drehte sie sich von einer Seite zu anderen, knüllte das Kissen zurecht, suchte eine kühle Stelle auf dem Leinenbezug, doch obwohl ihr von der Arbeit im Garten die Muskeln wehtaten, ihr die Müdigkeit in den Knochen steckte, fand sie nicht zur Ruhe.
    Der neue Kontinent, die neue Welt. Ganz anders und fremd. Würde es ihre Brüder tatsächlich dorthin ziehen? Das gläubige Leben war ihnen wichtig, das wusste Margaretha. Würden sie dafür alle Sicherheiten aufgeben? All das, was sie hier hatten? Die Furcht legte sich um ihr Herz wie eine Faust, die sich zusammenballte, langsam und mit Bedacht, wie ihr schien.
    Die Wilden, sie hatte viele Berichte über die wilden Menschen in der neuen Welt gelesen und gehört, die Wilden waren grausam. Die Wilden akzeptierten niemanden in ihrem Land. Da waren sie den Papisten und Lutheranern ähnlich, doch die Christen waren auf andere Weise grausam.
    Der Kater schnurrte laut an ihrem Bauch, doch nachdem sie sich das dritte Mal umgedreht hatte, gab er auf und sprang auf den Boden. Der Hauskater war alt geworden, seine Schnurrhaare weiß. Schon eine Weile jagte er nur noch die Mäuse im Stall, die ihm kaum entkommen konnten. Eine junge Katze hatte ihr Jagdrevier in den Hof und Keller verlegt. Sie schlief im Stall, begnügte sich mit einer Schale Milch, die sie hastig im Hof ausleckte, und mochte nicht angefasst werden.
    Der Kater und Jonkie kamen inzwischen leidlich miteinander zurecht. Nun schlich der grau gewordene Mausefänger auf die Decke des Hundes und suchte dort ein Nachtquartier. Jonkie schnaufte einmal, ließ den Kater dann aber ruhen.
    Vielleicht ist das so, dachte Margaretha. Vielleicht ist dasauch so in der neuen Welt. Möglicherweise hatten sich die Wilden auch an die neuen Bewohner gewöhnt. Die Angst blieb trotzdem und verfolgte sie bis in die unruhigen Träume.
    Am nächsten Morgen saß Pastorius schon in der Küche, als Margaretha aufstand.
    Für gewöhnlich liebte sie die erste halbe Stunde des Tages, die sie alleine verbringen konnte. Sie schürte dann das Feuer, formte das Brot, briet Eier und Speck und setzte den Getreidebrei auf.
    Überrascht blieb Margaretha in der Küchentür stehen, schnürte die Schürze, strich sich über den Rock und die Haube, doch Pastorius schien sie nicht zu sehen. Er hatte die Hände auf dem Tisch gefaltet und den Kopf gesenkt. Für einen Moment zögerte sie, dann schritt sie entschlossen in die Küche. Mochte er doch beten, alle anderen erwarteten ihr Frühstück. Sie legte Holz nach, blies in die Glut, die langsam aufflammte und an den Scheiten entlangleckte und -züngelte. Die meisten Eier hatte sie für das gestrige Mahl verbraucht, die letzten briet sie nun mit würzigem Speck. Rebecca würde zum Markt gehen müssen, Eier waren nicht das Einzige, was ihnen fehlte. Heute würden viele Besucher kommen. Nachdem sie dicke Rippe zusammen mit Rüben und Hafer aufgesetzt hatte, ging sie in die Stube. Es roch nach Pfeifenqualm, kaltem Rauch und Alkohol. Sie riss die großen Fenster auf. Schon waren die ersten Händler aufgestanden, trabten Pferde durch die Gasse. Wo blieb Rebecca? Wo war Gretje? Ihre Schuhe

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