Die Heilerin
Pastorius, habt Ihr schon einmal Kühe gemolken? Vieh gehütet? Ein Haus gebaut? Einen Garten angelegt, der die Familie ernährt?«
»Nein, natürlich nicht. Warum?«
»Weil das doch alle machen müssen, die dorthin auswandern. Es wird keinen Markt geben, keinen großartigen Handel, keine Häuser. Lediglich den freien Glauben, doch er ernährt keine Familie.« Margaretha seufzte auf.
»Was wäre da der große Unterschied für Euch, Mejuffer op den Graeff? So wie ich das verstanden habe, ist dieser Schinken von einem Schwein, welches Ihr letztes Jahr im eigenen Stall gemästet habt, was Ihr geschlachtet, gepökelt und geräuchert habt. Das hat der dänische Konsul gewiss nicht gemacht.«
»Richtig, er hat es machen lassen. Das tun wir nicht. Aber wir wissen, wo wir unsere Ferkel kaufen können, haben einen Vorrat an Speisen, haben unseren Garten. Dort müssten wir neu anfangen. Dort hätten wir noch nicht mal einen Schuppen, geschweige denn ein Haus.« Wütend säbelte Margaretha an dem Schinken entlang. Die Fleischscheiben wurden dicker als gewöhnlich.
»Wenn ich Euch und Eurer Familie nun eine Heimstatt in den Niederlanden oder in Spanien versprechen würde, mit der gleichen Prämisse – ein freier Glauben, wäre es dann einfacher für Euch? Wenn die Überfahrt nicht wäre?«, fragte Pastorius.
Margaretha hielt inne, dachte nach. »Warum fragt Ihr das?«
»Weil ich es mich selbst frage.«
»Weshalb?«
»Weil Ihr das Thema nun das zweite Mal aufbringt. Ichhabe letzte Nacht lange darüber nachgedacht. Nun tue ich es wieder. Und wie wäre es? Liegt es an der Überfahrt, an dem fremden Land, dem fernen Kontinent?«
»Nein.«
»Nicht? Ich hätte gedacht, dass Euch das abschreckt.«
»Das tut es durchaus auch. Doch auch in einem anderen Land, selbst in einer anderen Stadt müssten wir von vorne anfangen, uns alles neu aufbauen. Vielleicht wäre es einfacher als in der Neuen Welt, denn hier gibt es schon Bauern, Handwerker, Städte, Dörfer … dort aber nicht. Dort gibt es Wildnis. Und Wilde.«
Pastorius nickte nachdenklich.
»Seht Ihr das anders, Mijnheer Pastorius? Macht es für Euch keinen Unterschied?«
»Ich habe das noch nicht so betrachtet, Mejuffer op den Graeff. Mir ging es bisher immer darum, Mitstreiter im Glauben zu finden. Das ist gar nicht so einfach.«
»Das heißt, Ihr habt Euch mit den Glaubensfragen beschäftigt, aber nicht mit den Dingen des täglichen Lebens?« Margaretha lachte auf, es klang bitter.
»William Penn will einen Glaubensstaat errichten. Die Frankfurter Compagnie hat aus dem Grund Land gekauft. Ich auch. Es geht mir darum, im freien Glauben leben zu können. Frei und unabhängig von anderen.«
»Und wovon wollt Ihr leben, Mijnheer?«
Er sah sie an, schluckte. »Es gibt schon eine Stadt dort, zumindest die Anfänge. Es sind schon viele Siedler ausgewandert. Ich bin Schriftgelehrter, auch dafür wird es irgendwann eine Verwendung geben.«
»Dann habt Ihr genug Geld, um Euch ein Haus bauen zu lassen. Das ist wunderbar für Euch.«
Pastorius strich sich über den Kopf, räusperte sich mehrfach. Margaretha schenkte ihm Bier nach. Sie bereitete das Frühstück weiter vor, er schien ganz in Gedanken versunken zu sein. Schließlich hob er den Kopf.
»Mejuffer op den Graeff, mich verwundert …«
In diesem Moment betrat Gretje die Küche. »Guten Morgen, Hartje. Wie schön, du hast schon fast alles vorbereitet. Es tut mir leid, aber ich bin erst so spät nach Hause gekommen.«
Pastorius stand auf. »Guten Morgen, Mevrouw op den Graeff.« Er verneigte sich vor ihr.
»Ach, Ihr seid schon wach? Zu so früher Stunde? Einen guten Morgen auch Euch.«
»Ja, der frühe Vogel fängt den Wurm«, sagte er lächelnd. »Ich nutze die ersten und stillen Stunden des Tages gerne für meine Gebete und die Zwiesprache mit Gott.«
Gretje nickte und sah sich suchend um. »Wo ist Rebecca?«
»Krank.« Margaretha rührte den Eintopf um. Sie machte sich Sorgen um Rebecca, wollte ihre Mutter aber nicht beunruhigen. »Mijnheer Pastorius hat mir geholfen. Er hat Wasser geholt und den Schinken aus dem Vorratsraum getragen.«
Gretje sah den Gast überrascht an. »Das ist lobenswert.«
Pastorius räusperte sich wieder. Verlegen schaute er sich um. »Kann ich noch irgendetwas tun?«
»Nein. Es dauert nur noch ein wenig, dann gibt es das Frühmahl«, sagte Margaretha herzlich.
»Wäre es vermessen von mir, wenn ich ein wenig frische Luft schnappen würde?« Seine Wangen färbten sich.
»Geht
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