Die Heilerin
den Kopf zur Wand gedreht. Sie rührte sich nicht, als Margaretha den Raum betrat. Sie setzte sich neben dem Mädchen auf das Bett, strich ihr leicht über den Rücken.
»Wie geht es dir? Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht.«
»Ich habe keinen Hunger«, murmelte Rebecca.
»Du musst etwas essen.«
»Ich will aber nicht.«
»Das ändert doch nichts mehr, Rebecca. Wie weit bist du denn?« Margaretha seufzte leise.
»Meine letzte Blutung hatte ich im Dezember«, sagte das Mädchen leise, dann weinte sie tonlos.
Margaretha schluckte. »Warum hast du nicht eher etwas gesagt? Dann hätten wir dir vielleicht helfen können.«
»Ich konnte es gar nicht glauben, ich dachte, es läge an dieser Magengeschichte, die ich hatte.«
»Magengeschichte, ja, eigentlich hätte uns da schon bewusst sein müssen, was mit dir war.« Margaretha streichelte wieder sacht über Rebeccas Rücken. »Nun ist es so wie es ist, und wir werden das Beste daraus machen. Du musst etwas essen, Liefje. Zu hungern ändert nichts mehr daran.«
»Mein Vater wird mich verstoßen.« Nun schluchzte Rebecca auf. »Was mach ich denn dann?«
»Warum sollte er das tun? Dirck wird für dich einstehen«, sagte Margaretha mit mehr Überzeugung, als sie hatte.
»Das glaube ich nicht. Er war entsetzt.«
»Daran hätte er vorher denken sollen. Jetzt beruhige dich. Was hat meine Mutter gesagt?«
Rebecca schüttelte den Kopf. »Darüber möchte ich nicht reden.«
»Hat sie geschimpft?«, fragte Margaretha überrascht.
»Nein«, heulte Rebecca auf. »Im Gegenteil.«
Verwirrt schüttelte Margaretha den Kopf. »Ja, und was ist daran schlimm?«
Endlich drehte sich das Mädchen um. Ihr Gesicht war verquollen, und dunkle Ringe lagen unter ihren Augen. »Alles ist schlimm. Ich habe meinen Vater enttäuscht, deine Mutter, unsere Familien. Ich habe Schande über mich und sie gebracht.«
Margaretha sah sie ungläubig an. »Wie kommst du darauf? Was sagt Dirck eigentlich dazu?«
Wieder schluchzte Rebecca auf, sie bekam einen Schluckauf, konnte sich fast nicht beruhigen. Margaretha reichte ihr einen Becher mit Wasser. »Nichts ist so schlimm, wie es imersten Moment aussieht, hat mein Vater oft gesagt. Meistens hatte er recht. Du hast keine Schande über dich gebracht. Wenn überhaupt, kannst du das Dirck in die Schuhe schieben. Er wird sich doch irgendwie dazu geäußert haben?«
Bevor Rebecca antworten konnte, hörte Margaretha, dass die Mutter sie rief. Eilig sprang sie auf, fast hätte sie vergessen, dass heute viele Gäste erwartet wurden und noch jede Menge Arbeit anstand. »Iss etwas, wasch dir das Gesicht, und dann komm, wir haben viel zu tun. Es bringt dich nicht weiter, wenn du dir den Kopf zerbrichst. Mutter wird schon eine Lösung finden.«
Gretje und Esther hängten gerade den großen Topf über den Herd, als Margaretha in die Küche kam. Die Männer räumten die Stube leer, große Unruhe machte sich breit.
»Was ist mit Rebecca?«, fragte Gretje, sie klang unwirsch.
»Ich denke, sie kommt gleich«, sagte Margaretha leise. »Wo ist Dirck? Was sagt er?«
Gretje zuckte mit den Schultern. »Es ist ein Kindskopf und schämt sich gar sehr.«
»Das hilft aber weder ihm noch Rebecca«, sagte Esther. »Hermann ist aufgebracht. Er wird dafür sorgen, dass Dirck die Verantwortung übernimmt.«
Das erste Mal an diesem Morgen lächelte Gretje. »Das ist gut. Dirck glaubt nämlich, dass Hermann die Magd zurückschicken würde.«
»Dirck ist noch jung, zu jung, um eine Ehe einzugehen. Er hat auch bisher nicht die Mittel, Frau und Kind zu ernähren«, sagte Margarethe. »Das ist es doch, was ihn umtreibt, nicht wahr?«
»Ja. Deshalb hat er das Pferd von hinten aufgezäumt, und nun ist das Kind in den Brunnen gefallen.« Wieder lächelte Gretje. »Aber es hätte schlimmer kommen können. Rebecca ist nicht dumm und auch nicht arbeitsscheu. Sie hat sich gut in die Familie eingefügt und wird sich wieder fangen.«
Margaretha schaute sich suchend um. »Wo ist Catharina?«
Esther schnaubte auf. »In der Waschküche. Sie wäscht ihr Kleid.«
»Heute? Jetzt?«
Die beiden anderen zuckten nur mit den Schultern.
»Guten Morgen.« Rebecca blieb verschämt auf der Türschwelle stehen, den Kopf gesenkt. Doch sie hatte sich angekleidet und schien auch ihr Gesicht gewaschen zu haben, Wassertropfen glitzerten in ihren Haaren.
»Hast du etwas gegessen, Meisje?«, fragte Gretje milde.
»Ja, Margret hatte mir Eintopf und Brot gebracht. Was kann ich tun?«
Gretje
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