Die Heilerin
gerade essen und für Gäste ist immer Platz.«
Margaretha senkte beschämt den Kopf, folgte dann den beiden Männern in die Halle des Gutshofes. Hier gab es keine Herdstelle wie bei den Häusern in der Stadt. In einem großen Kamin an der Stirnseite des Raumes brannte ein munteres Feuer, und doch war die Wohnhalle nur mäßig warm. An langen Tischen mit Bänken saßen die Familie und das Gesinde. Dies war eine große Hofgemeinschaft, es waren bestimmt zwanzig Leute, dachte Margaretha verblüfft.
Der Hausherr führte sie zum Tisch, es wurde zusammengerückt, Teller und Besteck gereicht, Becher gefüllt. Hermann war sofort mit dem Gutsherrn in ein Gespräch vertieft. Nur Bruchstücke hörte Margaretha. Es ging um die Ernte, den kalten Winter, die leidende Bevölkerung, die Kompanien, die in der Umgebung lagen, froren und hungerten. Schüchtern sahsie sich um. Schräg ihr gegenüber saß ein Mädchen mit Augen so braun wie frisch gepflügter Acker. Ihre Haare waren unter einer Haube verborgen, doch zwei oder drei Strähnen lugten vorwitzig hervor. Ihr Gesicht war klar und rein, das Lächeln, das sie Margaretha schenkte, offen. Sie mochte in ihrem Alter sein, doch Margaretha scheute sich, sie anzusprechen.
Brot und süße Butter wurden herumgereicht. Es gab Eintopf aus Hammelfleisch, gebratene Hähnchen und vielerlei mehr. Margaretha fragte sich, wer diese Dinge so zubereiten konnte. Bei den Königen und Herzogen kann es keine besseren Speisen geben, dachte sie. Immer noch redete Hermann mit Simon Platen über die politischen Zusammenhänge, die Tafel wurde allmählich aufgehoben. Margaretha fühlte sich überflüssig und wusste nichts mit sich anzufangen. Zuhause wartete die Wäsche auf sie. Heute war es kalt, aber klar. Ein idealer Tag, um Laken zu waschen und zu trocknen. Sie haderte mit sich. War dieser Tag es wirklich wert, dachte sie für einen Moment.
»Ich bin Rebecca«, sagte das Mädchen, das ihr schräg gegenübergesessen hatte. Nun stand es hinter ihr und beugte sich über Margarethas Schulter. »Die Männer müssen gewiss ernste Gespräche führen.«
»Ja, das denke ich auch«, sagte Margaretha unsicher.
»Meine Hündin hat geworfen. Magst du mitkommen, die Welpen anschauen? Sie sind so putzig.«
»Natürlich.« Margaretha sprang auf und folgte Rebecca. Das Gewirr der Gänge erschien ihr schier endlos, doch schließlich gelangten sie in den Hof und von dort aus in den Stall. Kühe muhten, und Schweine grunzten, Pferde schnaubten und wieherten. Der Stall war riesig. Margaretha schaute sich um. Derart viele Tiere unter einem Dach, die alle versorgt werden mussten, so etwas war in der Stadt nicht möglich.
Noch schien das Sonnenlicht durch die Ritzen des Daches, und die Staubkörner glitzerten und tanzten im Licht. Es roch nach Heu und Tier, nicht unangenehm, aber intensiv.
»Hier lang.« Rebecca zog sie am Ärmel bis zu einer Box. Darin lag die Hündin mit fünf Welpen. Die jungen Hunde hatten die Augen schon geöffnet und tapsten im Stroh umher.
»Sind die schön«, flüsterte Margaretha und kniete sich nieder, sie streckte die Hände aus und ließ die jungen Hunde schnuppern und knabbern. »Wunderschön.«
»Ja, nicht?« Grinsend hockte sich das Mädchen neben sie. »Es sind drei Mädchen und zwei Rüden. Die Rüden sind schon Nachbarn versprochen. Die Eltern sind gute Wach- und Hütehunde. Alle reißen sich um sie. Eines der Mädchen wird Vater zur Zucht behalten, zwei sind noch zu vergeben.«
»Die sind ja zauberhaft.« Ein Welpe war auf ihren Schoß gekrochen, tapsig, mit breiten Pfoten, aber noch unsicher. »Wie alt sind sie?«
»Sechs Wochen. Bald sind alle weg.« Rebecca verzog das Gesicht. »Ich mag gar nicht daran denken.« Sie schwieg für einen Moment, dann sah sie Margaretha neugierig an. »Weshalb seid Ihr hier? Wollt Ihr Vorräte kaufen? Vater verkauft nichts mehr. Wir haben gerade genug für alle, sagt er, denn der Winter fängt schon frostig an, und wer weiß, wie lange er noch dauert.«
»Ja, das fürchten wir auch. Aber Vorräte haben wir zur Genüge.« Sie stockte, schaute an dem Mädchen vorbei. »Aber wir brauchen eine Magd.«
»Ach ja?«, sagte Rebecca tonlos. »Eine Magd in der Stadt … ja.« Sie wandte den Kopf ab. »Ja.«
»Rebecca …« Margaretha fehlten die Worte, sie wusste nicht, was sie sagen oder fragen sollte.
»Ich bin die mittlere Tochter, wisst Ihr. Die zweite der ersten Ehe meines Vaters. Meine große Schwester ist verheiratet. Meine Brüder arbeiten
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