Die Heilerin
Dann haben wir ihre Legekraft für nichts und wieder nichts verloren.«
Margaretha lachte. »Hermann liebt Brathähnchen.« Dannging sie beschwingt in den Stall. Im Sommer hatten die Hühner ein Gehege im Garten, im Winter kamen sie in den Stall. Zwei Pferde besaß die Familie. Einen braunen Wallach und eine helle Stute. Der Wallach schnaubte freundlich, doch die Stute tänzelte nervös und trat gegen die Tür.
»Nun, nun«, murmelte Margaretha beruhigend. »Das Wetter war schlecht, aber vielleicht kannst du ja bald wieder laufen, meine Gute.« Sie strich der aufgeregten Stute über die Nüstern, gab ihr einen schrumpeligen Apfel aus dem Bottich neben der Tür. Der Atem des Tieres war warm, und die langen Haare an den Nüstern kitzelten Margarethas Hand. Auch der genügsame Wallach bekam einen Apfel, bevor Margaretha zum Verschlag der Hühner ging. Nur vier Eier hatten sie gelegt. Zu wenig für die Männer, dachte sie enttäuscht.
Gretje nahm die Eier, schlug sie in eine irdene Schüssel, verrührte sie mit Milch und Gewürzen, bereitete eine Pfanne Rührei zu. Es duftete köstlich. Margaretha buk das Brot, deckte den Tisch und kochte die allmorgendliche Grütze. Gretje ging nach nebenan, um nach Jasper zu schauen.
Hastig und laut erklangen Schritte auf der Stiege, keuchend kam Isaak in die Küche. »Wo ist Mutter?«, fragte er entsetzt. »Sie ist weg.«
»Weg?« Margaretha schüttelte verdutzt den Kopf. »Sie ist nebenan, schaut nach Jasper, dem kranken Lehrjungen.«
Schnaufend setzte Isaak sich, strich sich über die Stirn. Margaretha gab ihm Rührei, Speck, Grütze und ein Stück noch heißes Brot.
Schweigend aß er, doch dann hob Isaak den Kopf, schaute Margaretha an. »Dochtertje, ich habe dir Unrecht getan. Du hast eine Last getragen, die viel zu schwer für deine jungen und schmalen Schultern war. Die Schuld liegt bei mir. Ich schäme mich dafür. Gott ist sicherlich sehr zufrieden mit dir, aber nicht mit mir. Ich habe dich alleine gelassen. Kein guter Vater tut dies seinem Kind an.« Er senkte den Kopf.
Margaretha hielt den Atem an. Was sollte sie sagen?Schließlich tat sie, was ihr Herz ihr sagte. Sie ging zu ihm und legte den Arm um ihn.
»Es ist eine schwierige Zeit für uns alle«, sagte sie leise.
»Bei Gott, das ist es.«
Wenig später kamen die Brüder in die Küche. Hermann sah Margaretha lächelnd an. »Meisje, geh und zieh dein warmes Wollkleid und die festen Stiefel an. Wir reiten zum Platenhof.«
Margaretha riss die Augen auf. »Wir? Ich soll mitkommen?«
»Ja!«
»Aber das geht doch nicht, es gibt so viel zu tun.«
»Nun, für heute bleibt es liegen, oder andere werden deine Arbeit übernehmen. Du hast dir einen freien Tag verdient. Und es wird dir gut tun, einmal aus der Stadt zu kommen, dir frische Luft um die Nase wehen zu lassen.«
»Wirklich?« Immer noch konnte Margaretha ihr Glück nicht ganz fassen.
»Ja, nun beeil dich, sobald die Sonne aufgeht, sollten wir losreiten. Dirck, sattel die Pferde.«
Margaretha eilte nach oben. Es war kalt, der Himmel klar. Sie zog sich zwei Paar warme Strümpfe an, das dicke Wollkleid und die feste Haube statt der Organzahaube, die sie täglich trug. Ein Tuch schlang sie sich um die Schultern. Auch Hermann hatte sich warm angezogen. Seine Wangen leuchteten, und er strahlte seine Schwester an, als er ihr aufs Pferd half.
»Bist du dir sicher, dass du die Stute reiten willst? Sie ist ungestüm und nervös und ist lange nicht ordentlich bewegt worden«, sagte er besorgt.
»Aber, Hermann, ich reite sie doch immer.«
»Halt sie schön kurz!« Hermann schwang sich auf den Wallach. Durch das hintere Tor ritten sie auf die Gasse. Noch war nicht viel los auf den Straßen. Sie passierten das Obertor im Schritttempo, ritten am Graben entlang bis zum alten Brückchen und nahmen dann den Weg nach Vorst. Die Sonne ging auf und beschien die verschneiten Äcker und Wiesen.
Margaretha hatte Mühe, die tänzelnde Stute zu halten, und als sie auf der geraden Strecke waren, die auf das Dorf Fischeln zuführte, gab sie dem Pferd die Zügel. Das Tier hob den Kopf, wieherte und lief im gestreckten Galopp. Margaretha spürte den Wind im Gesicht, fühlte sich plötzlich frei und leicht. Ihr Vater und die Brüder hatten ihr früh das Reiten beigebracht, und sie war sicher im Sattel. Als sie in ein kleines Wäldchen kam, brachte sie das Pferd in den Trab und wendete es. Hermann lag weit zurück, der Wallach war ein ruhiges Tier, ohne viel Elan. Sie ritt zu
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