Die Heilerin
hier am Hof, bis auf einen, der hat sich zur Armee verpflichtet. Vater hat wieder geheiratet, und es gibt ein weiteres Mädchen, ein Püppchen, geliebt von allen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will gar nicht neidisch sein. Aberich weiß, dass Vater umherfragt, nach einer Dienststelle für mich. Ich war nur wenige Male in der Stadt und fürchte mich …« Nun weinte sie.
Margaretha legte ihr den Arm um die Schulter, drückte sie an sich. »Ich brauche Hilfe bei der Haushaltsführung. Mutter ist krank. Alleine schaffe ich es nicht mehr. Aber mit jemandem wie dir könnte ich es.« Margaretha schluckte, sie fühlte mit dem Mädchen. »Wir haben gar keinen Hund. Nur einen fetten Kater. Vielleicht könnten wir einen der Welpen mitnehmen, dann hättest du immer etwas, das dich an Zuhause erinnert.«
»Würde deine Familie das erlauben?« Ungläubig schaute das Mädchen auf.
»Ja, wenn ich darum bitte, vielleicht.« Margaretha lachte leise.
»Wirklich glücklich war ich in den letzten Jahren nicht mehr. Seit Mutter starb und Vater wieder geheiratet hat, ist alles anders … Hart arbeiten kann ich, das musste ich immer. Vielleicht ist es in der Stadt gar nicht so schlimm.« Verzagt sah das Mädchen zu Margaretha auf.
»Schlimm? Ich weiß nicht. Anders als hier ist es. Ich glaube aber, wir könnten uns gut vertragen. Ich wäre über deine Hilfe wirklich froh und dankbar. Du hättest dein eigenes Zimmer und Verdienst. Wir sind drei hungrige Brüder, der Vater, zwei Gesellen und zwei Lehrjungen – acht hungrige Männer und meine Mutter, du, ich …«
»Nur zehn?«
»Mit dir elf.«
»Das hört sich nicht schwer an.«
»Rebecca, das Leben in der Stadt ist anders. Wir haben einen Garten am Wall, einen Küchengarten, einiges an Vorräten, doch das meiste müssen wir kaufen. Milch … wir können keine Kuh halten.«
»Davon habe ich gehört, aber ich kann es mir nicht vorstellen.«
»Rebecca? Margaretha?«
Bevor sie weiterreden konnten, scholl der Ruf durch den Stall. Die Mädchen schauten sich erschrocken an.
»Wähl einen Hund, schnell. Welchen …?«, wisperte Margaretha. Rebecca packte zwei Welpen im Nacken, drehte sie um, begutachtete sie. »Den hier«, sagte sie dann hastig. »Das ist ein Weibchen. Aber was machen wir mit ihr?«
»Sssh.« Margaretha nahm einen Welpen, steckte ihn in ihren Mantel und stand auf. Flüchtig strich sie das Stroh von ihrer Kleidung. »Hermann? Wir sind hier.«
»Wo seid ihr?«, rief nun auch Simon Platen.
Rebecca schaute Margaretha verstört an. »Ob wir jetzt Ärger bekommen?«
»Ach was, wieso denn?« Sie fasste das Mädchen beim Arm, zog es mit sich.
»Hermann, wir sind hier hinten.« Der Welpe fiepte, Margaretha strich ihm über den Kopf, zog den Mantel dann über das Hundekind.
»Rebecca, Dochtertje, wir haben euch überall gesucht. Die Herrschaften müssen bald zurückreiten, die Dämmerung kommt schnell. Vorher muss ich mit dir reden«, sagte Simon Platen. »Allein.«
Rebecca senkte den Kopf. »Ja, Vater.«
Margaretha sah ihren Bruder an, doch der schaute den beiden hinterher, als sie durch den Stall hindurchgingen. »Komm«, sagte er dann und nahm seine Schwester beim Arm. »Lass uns noch einen Moment in der Wärme sitzen. Die Dämmerung kommt schnell, und ich will heute noch nach Hause reiten.«
»Gibt es Schwierigkeiten?«
»Schwierigkeiten? Nein, Platen möchte seine Tochter lieber gestern als heute in einem Dienstverhältnis wissen.«
»Aber? Du klingst so, als gäbe es Zweifel.«
»Die Mutter glaubt nicht, dass das Mädchen es in der Stadt schafft.«
»Ach? Und ich hätte gedacht, sie wäre froh, wenn Rebecca mit uns geht.« Margaretha schüttelte den Kopf.
»Wieso das?«
»Ich habe mit dem Mädchen gesprochen. Die Mutter ist nicht ihre Mutter, es ist die zweite Frau des Vaters, und die beiden sind nicht wirklich glücklich miteinander.«
Hermann blieb stehen, runzelte die Stirn. »So hat das natürlich auch Sinn. Mevrouw Platen sprach nicht wirklich einnehmend über das Mädchen. Das hatte mich schon gewundert.«
»Aber sie müsste doch eigentlich froh sein, Rebecca loszuwerden.«
»Schon, aber wenn wir Schwierigkeiten mit dem Mädchen bekämen, könnte sie immer sagen: Hab ich es nicht gewusst.«
Margaretha hielt den Atem an. »Das wäre aber böse.«
»So sind Menschen manchmal.« Hermann zuckte mit den Schultern.
»Ich finde sie nett. Sie hat Angst vor der Stadt, das Leben dort kennt sie nicht. Aber die Angst können wir ihr doch nehmen,
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