Die Heilerin
gemacht.« Beschämt sah Margaretha zu Boden.
»Wo ist Rebecca?«, fragte Gretje dann.
»Sie ist zurück in ihre Kammer.«
»So?« Gretje schnaufte unwirsch. »Dann werde ich sie mal wecken.«
Gemeinsam deckten sie den Tisch. Es gab allerlei Leckereien. Immer wieder schaute Margaretha verstohlen zu Rebecca. Natürlich war alles neu und fremd für das Mädchen, doch sie arbeitete langsam und brauchte viel Anleitung. Die Männer kamen herunter, so dass sich nach und nach die Runde füllte. Hermann allerdings kam nicht.
»Schläft Hermann etwa noch?«, fragte Isaak unwirsch nach einem Blick in die Runde.
»Nun lass den Jungen doch«, sagte Gretje beschwichtigend.
»Aber er war doch schon vor euch allen wach.« Margaretha schaute erstaunt hoch. »Er hat eine Kleinigkeit zu sich genommen und ist dann nach drüben gegangen, wollte nach einem Webstuhl schauen.«
»Wirklich?« Isaak räusperte sich. »Gib mir noch eine Scheibe von dem köstlichen Schinken.«
Margaretha lehnte sich zurück und genoss den Anblick der Familie am Tisch. Ohne Zeitdruck aßen sie, erzählten, lachten. Rebecca fügte sich gut ein. Sie schien wenig Hemmungen zu haben und brachte durch ihre heitere Art die Brüder das eine aufs andere Mal zum Lachen.
»Wie ist es in der Neujahrsnacht, Vater?«, fragte Dirck. »Darf Rebecca mit zum Brummtopfsingen?«
In der Neujahrsnacht versammelte sich die Jugend am Stadttor und zog Reime singend und den Brummtopf schlagend um die Stadt. Es war ein wahres Vergnügen, und bisher hatten sie daran teilnehmen dürfen.
»Ich weiß nicht.« Isaak lehnte sich zurück, nahm den Tabakbeutel aus der Westentasche. Dirck sprang auf und holte die Pfeifen vom Kaminsims.
»Aber warum nicht, Vater? Wir passen auf sie auf. Abraham, du gehst doch auch mit, nicht wahr?«
Abraham schaute fragend zu Margaretha. Sie biss sich auf die Lippe. Eigentlich hatte sie sich auf das Neujahrsfest gefreut, seit Jan wieder in der Stadt war. Nicht oft hatten die jungen Leute Gelegenheit, ausgelassen und ohne Aufsicht der Eltern miteinander zu feiern. Die Neujahrsnacht war ein Höhepunkt im jährlichen Kreislauf.
»Ich weiß nicht, Kinder. Dies Jahr ist alles anders. Die Stimmung ist schlecht, und nicht nur Mennoniten werden um die Stadt laufen.«
»Aber gerade das ist doch gut«, wandte Gretje ein. »Wo sonst können die Kinder aller Religionen ausgelassen zusammen sein? Ohne Beschränkungen? Wenn Dirck und Abraham mitgehen, dürfen die Mädchen auch.« Sie warf Margaretha einen skeptischen Blick zu. »Solange alle gesund sind.«
»Meinst du wirklich, Vrouw?«
Gretje nickte.
»Ich gehe mit und passe auf, Vater«, sagte Abraham. »Eigentlichwollte ich nicht mehr, ich werde zu alt für solche Kindereien, aber mir ist wohler, wenn sie nicht allein auf der Straße sind.«
»Dann dürfen wir also? Rebecca auch?« Ein Strahlen lag in Dircks Augen.
»Falls in den nächsten Tagen nicht noch irgendetwas passiert«, dämpfte der Vater die Freude.
Bevor Dirck noch etwas dazu sagen konnte, ging die Hoftür auf. Hermann kam, begleitet von einem Schwall eisiger Luft, in die Küche.
»Verdorrie, wat ein Driet«, murmelte er und stampfte den Schnee von den Schuhen.
»In diesem Haus wird nicht geflucht, minn Zoon!« Isaak drehte sich ärgerlich zu ihm herum.
»Verzeih, Vater.« Hermann holte tief Luft. »Ich komme aus dem Webhaus. Am großen Webstuhl ist der Rahmen gerissen.«
»Was?«
»Ja, nun. Der Rahmen hatte sich verzogen. Ich wollte ihn richten. Er muss schon angebrochen gewesen sein, vielleicht ist das passiert, als wir ihn neu bespannt haben. Und nun ist er ganz gebrochen.« Schnaufend setzte Hermann sich.
»Können wir das flicken?«, fragte Dirck.
»Nein, das glaube ich kaum. Ich fürchte, die Seite muss ersetzt werden«, sagte Hermann.
»Das darf nicht wahr sein.« Isaak sprang auf, stieß seinen Becher mit Dünnbier um und eilte nach nebenan. Hermann wollte aufstehen und ihm folgen, doch Gretje hielt ihn zurück.
»Komm, iss und trink erstmal etwas. Lass Vater das in Ruhe anschauen. Nach Lösungen können wir dann immer noch suchen.«
»Die Lösung wird ein guter Tischler sein.« Hermann schüttelte den Kopf, eine steile Falte zeigte sich zwischen seinen Brauen. »Ich hoffe, Vater gibt mir nicht die Schuld.«
»Ein guter Tischler wird zu finden sein. Nun zerbrich dir nicht den Kopf, sondern nimm von dem Schinken.«
Auch Isaak konnte nur feststellen, dass der Rahmen gerissen war. Er kontrollierte die anderen Webstühle,
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