Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
blicken.
Plötzlich wurde die Tür zum Raum geöffnet, und Agnes erschien. Bei dem Stimmengewirr hatte niemand ihr mehrmaliges Klopfen gehört. Langsam kam sie herein und schaute sich ratlos um. An der Hand zog sie Maria hinter sich her. Die junge Witwe war sehr verstört und hielt ihren Kopf gesenkt. Aus den Augenwinkeln heraus beobachtete sie die fremden Leute, die so wütend durcheinanderredeten.
Freudig überrascht eilte Ludolf seiner Braut entgegen und klatschte in die Hände, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Laut rief er in die Runde: »Liebe Herrschaften, es geht weiter! Gleich werden wir wissen, ob der Augustinermönch der Mörder Kuniberts ist oder doch unschuldig. Maria wird ...«
Plötzlich blieb er stehen und starrte die Frau mit großen Augen an. Alle Anwesenden hatten sich neugierig zu ihm herumgedreht und sahen nun sein Erstaunen. Sie verstanden nicht, was ihn so unvermittelt verstummen hatte lassen.
Auch Agnes sah ihn verwundert an. »Was ist los?«
Nachdem Ludolf den ersten Schreck verdaut hatte, ging er zu Maria hinüber. Gerade als er ihre Hand fassen wollte, kreischte sie los und schlug wild nach ihm. Erschrocken sprang er zurück.
»Spinnst du?«, zischte Agnes. »Ich hab dir doch erzählt, wie sie auf Männer reagiert. Kannst du nicht etwas rücksichtsvoller sein?«
Und sofort versuchte sie, die aufgeregte Witwe zu besänftigen, sprach tröstlich mit ihr. Die Bemühungen waren zum Glück erfolgreich – nach kurzer Zeit hatte sich Maria wieder beruhigt, aber sie drückte sich ängstlich an die Wand. Ihre Haare hingen ihr wild ins Gesicht, sodass man nicht mehr erkennen konnte, wen ihre irren Augen gerade anblickten.
Ludolf fasste sich an die pochenden Schläfen. Er verstand nicht, was er sah – oder besser – was er nicht sah. »Was ist mit ihren Verletzungen an ihren Händen und Armen, von denen du erzählt hast?« Die Panik in seiner Stimme war deutlich zu hören.
Agnes schüttelte nur den Kopf. Was tat das jetzt zur Sache? »Die Binden sind nicht zu sehen. Sie sind unter den Ärmeln.«
Sie ging zu Maria und nahm vorsichtig einen ihrer Arme. Sie schob den Stoff der Bluse ein Stück hoch, bis man das weiße Leinen sah.
»Bist du nun zufrieden?«
»Ach, du Sch...«, stöhnte Ludolf.
Missbilligend blickte Agnes ihren Zukünftigen an. Vorwurfsvoll meinte sie: »Du wolltest doch sicher Schreck sagen?«
Er nickte nur entnervt. »Ich muss dich sofort sprechen.«
»Wieso?«
»Komm!« Und er zog sie an der Hand hinüber in eine Ecke des Raumes.
Im Weggehen sagte Agnes noch zu Maria: »Wartet bitte hier. Ich komme gleich wieder.«
Dann begann eine hitzige Diskussion zwischen den beiden jungen Leuten. Sie sprachen sehr leise, sodass niemand ein Wort verstehen konnte. Aber der Ton des Gesprächs war alles andere als freundlich. Zwischenzeitlich stampfte Agnes wütend auf den Boden, während Ludolf aufgeregt mit den Armen herumfuchtelte. Dann wollte die junge Frau wutentbrannt loslaufen, aber er hielt sie im letzten Moment am Arm fest. Wieder hörte man ärgerlich hervorgestoßene Worte. Mit der Zeit beruhigten sich die beiden, diskutieren aber noch weiter.
Die Zuschauer wurden langsam ungeduldig. Keiner wusste, was los war, was Ludolf so fassungslos gemacht hatte. Von Rottorf und der Verwalter vom Domhof tuschelten miteinander, ebenso der Bürgermeister mit den Ratsherren.
Mathilde von Braunschweig wippte ungeduldig mit ihren übereinander geschlagenen Beinen. Schließlich fragte sie ein wenig gereizt: »Können wir jetzt weitermachen? Oder braucht ihr da noch lange?«
Ludolf drehte sich zu den anderen herum, verneigte sich und bat: »Einen Moment noch. Wir machen gleich weiter.«
Nach wenigen Sätzen kehrten die beiden tatsächlich in die Runde zurück. Ludolf ging aber schnurstracks zu seinem Vater und flüsterte ihm zu: »Würdest du mir bitte den Beutel aus meinem Zimmer holen? Der auf dem Tisch liegt. Es geht um die Sache, über die wir gesprochen haben. Ich brauche die Sachen dringend. Davon hängt die Aufklärung des Mordes ab. Bitte bereite das eine, das ich dir heute Morgen gezeigt habe, schon vor. Bis du zurückkommst, klären wir noch eine Sache.«
Johannes vom Domhof nickte. »Nun gut, mein Junge. Ich tu dir den Gefallen. Nachher musst du mir alles andere aber erzählen.«
»Mach ich.«
Und schon eilte der Vater aus dem Raum.
Ludolf atmete tief durch und schaute sich um. »Bevor wir weitermachen, sollte wir Maria wegen des Mönchs befragen.«
Er winkte dem
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