Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
diese Agnes bei uns gewütet hat.«
Die Äbtissin blickte die Anwesenden mit einer zu Tränen rührenden Trauermiene an. Prutze und Bassenberg schüttelten den Kopf wegen dieser Ungeheuerlichkeiten und bedauerten die geplagte Äbtissin, während die drei Möllenbecker sich nur ungläubig anschauten. Sie konnten sich kaum vorstellen, dass sich Agnes so ungebührlich verhalten hatte.
»Ich verlange den Ausschluss aus dem Kloster und die Exkommunikation dieses Weibes«, wandte sich von Hattelen jetzt wieder an den Domdekan. »Wenn von eurer Seite nichts unternommen wird, werde ich noch heute zum Bischof nach Minden reisen.«
Im Raum herrschte einen Moment lang absolute Stille. Nur die Geräusche des Marktplatzes drangen durch die Butzenfenster herein. Und irgendwo im Rathaus lief jemand schnellen Schrittes eine knarrende Treppe hinab.
Johannes vom Domhof atmete tief durch, bevor er sprach. »Ich kann nicht glauben, was ihr da sagt. Es muss vorher etwas passiert sein, sonst würde die Jungfer von Ecksten nicht so ... drastisch reagieren.«
»Was wisst ihr denn schon?«, entgegnete sie schroff. »Ich habe sie lediglich auf ihre Pflichten aufmerksam gemacht.«
Jetzt mischte sich von Rottorf ärgerlich ein: »Werte Schwester, ihr wisst doch ganz genau, dass Agnes im Kloster im Moment keine Aufgaben hat.«
»Pah! Das habt ihr nicht zu entscheiden!«
Der Domdekan nahm seine ganze Beherrschung zusammen, um nicht über die kleine Person herzufallen. »Doch! Aber das haben wir schon längst besprochen. Oder habt ihr das seit heute Mittag vergessen?«
Die Äbtissin riskierte einen schnellen Blick auf die Rintelner Bürger. Sie standen weiterhin neben ihr, sie war sich ihrer Unterstützung also sicher. »Die Lage hat sich aber nun durch den Angriff dieser Furie geändert. Nur durch Flucht konnten wir uns vor Schlimmeren retten. Wer weiß, was sie uns sonst noch angetan hätte.«
Der Verwalter des Domhofes schüttelte zweifelnd den Kopf. »Das glaube ich nicht.«
Greta von Hattelen reckte sich und hob stolz ihren Kopf: »Wollt ihr etwa behaupten, ich lüge?«
»Das werden wir genau wissen, wenn wir mit Agnes gesprochen haben. Also, wo ist sie?«
»Wie redet ihr mit mir?« Im Laufe des Gesprächs war ihre Stimme immer lauter und schriller geworden. »Ihr seid unverschämt! Wahrscheinlich ist sie wieder bei diesem Nichtsnutz aus Minden, um mit ihm zu buhlen.«
Doch jetzt platzte Johannes der Kragen. Er donnerte die Äbtissin an: »Mein Sohn steht hier neben mir. Er hat nicht mit der ehrenwerten Agnes gebuhlt. Er hat ihr Leben als Nonne respektiert. Agnes war immer tugendhaft und vorbildlich.«
Bei dem Gefühlsausbruch war von Hattelen erschrocken zusammengezuckt, aber sie hatte sich schnell wieder gefangen: »Habt ihr denn dabei gelegen?«
»Ihr denn? Wie könnt ihr nur solche schmutzigen Behauptungen aufstellen?«
»Frechheit!«
Hektisch wandte sich die Äbtissin an den Bürgermeister und den Priester. »Ich habe nichts mehr zu sagen. Ich gehe jetzt. Wenn ein unschuldiges Opfer hier so schmählich behandelt und verleumdet wird, ziehe ich mich lieber zurück. Einen Teil meiner Würde möchte ich noch behalten.«
Unter theatralischem Schluchzen eilte sie hinaus. Völlig verdattert blickten ihr Prutze und Bassenberg hinterher und machten Anstalten, ihr zu folgen. Aber im letzten Moment wurden sie sich wohl wieder bewusst, warum sie alle hier zusammengekommen waren. Mit grimmigen Gesichtern warfen sie Johannes vom Domhof tödliche Blicke zu.
Mit belegter Stimme begann der Bürgermeister: »Wie ich sehe, ist der junge Herr ja nun anwesend. Dann können wir ja loslegen. Auf die Nonne von Ecksten müssen wir ja leider ...«
Es klopfte an der Tür.
»Was soll das denn jetzt?«, polterte Jaspar Prutze gereizt. »Wir haben eine Besprechung!«
Knarrend öffnete sich die Tür.
»Entschuldigt bitte meine Verspätung.« Agnes schob ihren Kopf durch die Öffnung. Mit gesenktem Haupt schlich sie herein und stellte sich neben den Domdekan. Sie versuchte es zu verbergen, aber ihre Augen waren vom Weinen gerötet, und sie nagte verschämt an ihrer Unterlippe.
Aber Johannes vom Domhof konnte seine Neugier nicht zügeln. Die Konfrontation mit der Äbtissin hat ihn übermäßig aufgeregt. »Habt ihr die Schwester Greta nicht gesehen? Sie stürmte kurz vor euch hinaus.«
»Doch. Ich sah sie auch, als sie vorhin das Rathaus betrat – gerade als ich zu dieser Versammlung kommen wollte. Also wartete ich lieber, ich wollte sie nicht
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