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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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nieder. Agnes hob schützend ihre Arme und wehrte die Rute ab. So auch den zweiten und dritten Schlag. Jedes Mal stöhnte die Priorin entzückt auf. Ganz eindeutig liebte sie ihre Arbeit.
    Doch plötzlich sprang Agnes mit einem lauten Schrei auf Margarete zu, entriss der Überraschten geschickt die Rute und schlug nun selber zu. Zwei blutige Striemen prangten plötzlich im verblüfften Gesicht der Priorin, die vor Schreck keinen Laut hervorbrachte und mit ins Leere greifenden Händen und offenem Mund an der Wand stand. Ungläubig blickte sie um sich.
    »Na? Gefällt dir das jetzt auch noch?«, schrie Agnes der verhassten Mitschwester ins Gesicht. »Jetzt weißt du endlich, wie es uns immer geht!«
    Margarete Rennemann betastete vorsichtig ihr schmerzendes Gesicht, zuckte beim Berühren der Striemen zusammen. Dann sah sie das Blut an ihren Fingern. Stammelnd schaute sie auf ihre Hände und konnte nicht glauben, was mit ihr passiert war. Wie betäubt drehte sie sich um und setzte sich langsam in Bewegung. Laut lamentierend ging sie von dannen.
    Die Äbtissin hatte das ganze Schauspiel nur ungläubig angeschaut. Hatte mit Verblüffung gesehen, wie sich eine einfache Nonne der Priorin widersetzt hatte. Hatte mit Schrecken festgestellt, wie die jahrhundertealte Klosterordnung soeben in ihren Grundfesten erschüttert worden war. Ihre Autorität war offen in Frage gestellt worden.
    Agnes stand noch immer mit erhobener Rute im Gang vor Marias Kammer. Beide Frauen starrten sich gebannt an, rührten sich nicht von der Stelle.
    Nach einem schier endlosen Augenblick fing sich die junge Nonne wieder und warf die Waffe angewidert von sich. Ohne ein Wort drehte sie sich um und rannte mit weichen Knien los. So schnell sie konnte. Nur weg von hier. Fort aus diesem düsteren, unmenschlichen und lieblosen Kloster. Die Tränen rannen ihr über die Wangen, als sie durch die Pforte auf die Straße lief.

Ludolf
    Am frühen Nachmittag war Ludolf vom Domhof auf einem Pferd angekommen. Der Bote hatte den jungen Mann in Minden schnell erreicht und die Bitte um Hilfe vorgetragen. Als er gehört hatte, dass dieser Wunsch von seiner geliebten Agnes ausgegangen war, war er auf der Stelle bereit gewesen, zu kommen. Er hatte sein Pferd zur größten Eile angetrieben und konnte nur noch an die biestige und dabei so süße Agnes denken, an ihre dunklen, fast schwarzen langen Haare, die kleinen Grübchen in den Mundwinkeln, wenn sie so entzückend lächelte. Er bewunderte ihren scharfen Verstand, ihr umfangreiches Wissen, ihr mitfühlendes Wesen. Auch wenn er sich bei ihr andauernd in einem Wechselbad der Gefühle befand.
    Ludolf, sein Vater Johannes und der Domdekan hatten sich im Möllenbecker Domhof, der genau neben dem Kloster St. Jakobi lag, getroffen und wollten nun Agnes abholen, um dann zusammen zu der vom Bürgermeister angesetzten Versammlung zu erscheinen. Am Tor wurde den dreien jedoch von der Pförtnerin gesagt, dass Schwester Agnes nicht anwesend sei. Die Nonne wusste auch nicht, wohin ihre Mitschwester gegangen war.
    »Weiß die ehrwürdige Äbtissin vielleicht, wohin eure Schwester Agnes unterwegs ist?«, fragte Johannes vom Domhof.
    »Unsere Schwester Greta ist vor Kurzem zum Bürgermeister gegangen.«
    »Das passt ja gut, dahin wollen wir auch. Vielleicht erfahren wir dort mehr.«
    »Oder sie ist schon da«, ergänzte Ludolf, der während des Gesprächs nervös von einem Fuß auf den anderen getreten war. Er konnte es kaum erwarten, seine Angebetete wiederzusehen.

    »Und wo ist euer nichtsnutziger Schützling?«
    Anstatt die höfliche Begrüßung zu erwidern, schleuderte die Äbtissin den drei Neuankömmlingen ihre Abneigung entgegen. Im kleinen Rathaussaal standen Greta von Hattelen, der Bürgermeister Prutze, Ulrich von Engern und Pater Bassenberg zusammen und sprachen aufgeregt miteinander.
    »Welchen Schützling meint ihr, liebe Schwester?«, entgegnete der Domdekan wieder betont höflich.
    »Ich rede selbstverständlich von dieser Agnes.«
    »Ach«, höhnte er. »Ist sie denn nicht in eurem Kloster?«
    »Nein«, presste sie zischend hervor. »Ich muss mich über diese Person beschweren. Sie hat eine außerordentlich schlimme Sünde begangen. Sie hat mich angegriffen. Mich!« Dabei presste sie ihre Hände vor die Brust und schloss die Augen, als wäre sie soeben aufs Furchtbarste beleidigt worden. »Meine arme Vertreterin, die Schwester Margarete, wurde schwer verletzt. Entstellt! Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie brutal

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