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Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Domeier
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Die Tränen wurden mehr. Mit dem Zipfel ihres Tuches trocknete Helene ihre runden Wangen. Lautstark zog sie die Nase hoch.
    Die jungen Besucher warteten, bis sich die Frau wieder gefangen hatte. Sie wollten auf ihre Trauer Rücksicht nehmen.
    Helene Lampe begann wieder: »Schließlich schleppte dieses Ekel das Balg an. Soll von seinem Bruder gewesen sein. Wer’s glaubt, wird selig.«
    »Warum hattet ihr Zweifel?«, fragte Agnes
    »Sie war doch viel zu alt, um von seinem Bruder zu sein. Die beiden Engern waren doch erst kurz vorher das erste Mal in Italien gewesen. Außerdem war’s nicht angemessen, wie Ulrich diese Maria behandelte.«
    »Inwiefern nicht angemessen?«
    Die Frau wischte sich wieder die Tränen aus den Augen. »Auf dem Italienkriegszug starb Wolter. Hätte es doch lieber den anderen Engern erwischt. Wahrscheinlich wäre uns viel Ärger erspart geblieben. Statt seines Bruders brachte Ulrich das Mädchen mit. Von da an schlief Katharina in einer kleinen Kammer neben der Küche. Sie war inzwischen so schwach, dass sie die Treppe nicht mehr hochsteigen konnte, und die Magd war schneller erreichbar. Aber Maria schlief mit Ulrich im gleichen Bett!« Helene schlug die Hände vors Gesicht und weinte still vor sich hin.
    Agnes und Ludolf nickten sich zu. Genau, wie sie vermutet hatten. Dieser Ulrich war ein widerliches Schwein. Wie gefühlskalt muss jemand sein, um die eigene Frau so offensichtlich zu betrügen? Aber diese Beschreibung des Ulrich von Engern passte zu den bisherigen Erkenntnissen über ihn.
    Die Frau schnäuzte sich herzhaft in ein Tuch und rieb sich die geröteten Augen. Langsam wurde sie wieder ruhiger.
    Agnes nahm sich ein Herz und fragte: »Hat denn eure Schwester nichts zu den Eskapaden ihres Mannes gesagt?«
    Mit belegter Stimme antwortete sie: »Was sollte sie denn sagen? Sie war doch viel zu schwach, um sich zu wehren. Was wäre aus ihr geworden, wenn Ulrich sie einfach vor die Tür gesetzt hätte?«
    Die Nonne nickte nur. Wie wahr. »Und wie stand eure Schwester zu Maria?«
    »Na ja ... wie soll ich sagen ... reserviert.«
    »Hat sie das Mädchen gehasst?«
    »Ne, das war nicht ihre Art. Katharina hat Maria so behandelt, als wäre sie eine ganz normale Magd. Nicht mehr und nicht weniger.«
    »Und wie war Maria ihr gegenüber?«
    Plötzlich lächelte Helene Lampe. Aber es war eher ein Ausdruck der Verzweiflung als der Freude. »Maria. Das ist ein Wirrkopf. Sie ist hilfsbereit – das muss ich schon zugeben –, aber oft durcheinander. Sie fing etwas an, dann kam was dazwischen, und das Erste wurde nie fertig – sie vergaß es einfach. Egal ob es das Füttern der Tiere war oder ein Pott mit Milch überm Herd. Kochen lassen durfte man sie nicht, sonst bekam man was Halbrohes oder was Verbranntes.« Die Frau schüttelte den Kopf. »Und ab und zu wurde Maria auch melancholisch – als wäre sie gerade woanders. Sie war dann nicht mehr ansprechbar.«
    »Sie hatte dann wohl ihre Visionen«, warf Agnes ein.
    »Visionen?« Jetzt lachte die Frau wirklich. »Ich nenn das Flausen im Kopf.«
    Die Nonne schreckte zurück. Man konnte doch nicht einfach göttliche Eingebungen als Hirngespinste abtun! Sie atmete tief durch. Schließlich war die Entscheidung darüber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. Stattdessen fragte sie: »Kamen diese melancholischen Zeiten wegen Ulrich? Wenn er wieder ... zutraulich geworden war?«
    Helene dachte einen Moment nach. »Ich habe nichts in der Art bemerkt. Diese Anwandlungen kamen ganz plötzlich, ohne besonderen Anlass. Eigentlich ...« Sie stockte.
    »Was meint ihr mit eigentlich?«
    Die Frau machte ein sehr nachdenkliches Gesicht. »Eigentlich geht Ulrich mit Maria um, als wäre sie seine eigene Tochter. Ich erinnere mich nicht, etwas Anstößiges beobachtet oder gehört zu haben.«
    »Manch einer kann sich in der Öffentlichkeit auch beherrschen.« Agnes klang zynisch und ärgerlich.
    Helene Lampe nickte heftig. »Stimmt schon. Immerhin teilten sie das Bett miteinander. Das sagt doch schon alles. Im Gegensatz zu anderen Männern war Maria zu Ulrich immer sehr nett.«
    »So etwas in der Art ist mir auch schon aufgefallen. Sie macht einen Unterschied zwischen Männern im Allgemeinen und ihrem sogenannten Onkel.«
    »Genau!« Zur Bestätigung tippte Helene Lampe mehrfach mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Bei anderen wurde sie jedes Mal biestig. Sie mag es nicht, wenn ihr jemand zu nahe kommt. Sie beginnt dann zu fluchen. Aber in irgend so ’nem Kauderwelsch.

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