Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ulrich selbst. Die halten zusammen wie Pech und Schwefel. Ulrich hat in ihm einen willigen Helfer und Hartwich einen spendablen Beschützer.«
»Sind die beiden immer ein Herz und eine Seele? Oder gibt es auch hin und wieder Reibereien?«
»Oh, ja.« Helene lachte. Schadenfreude ist halt die schönste Freude. »Hartwich war so was von sauer, weil Kunibert die Maria bekommen hatte. Da sind sich die beiden fast an die Gurgel gegangen. Was habe ich mich da gefreut!« Sie strahlte und wackelte mit dem Kopf, sodass ihr ganzer Körper in Bewegung geriet.
»Aber dieser Zwist hat wohl nicht lange angehalten?«
»Hartwich und Ulrich haben sich wieder vertragen. Und Hartwich hat Kunibert den Tod gewünscht. Ich weiß nicht, was Ulrich gesagt oder versprochen hatte, aber plötzlich war Kunibert der Böse.«
»Das kann ich mir gut vorstellen«, beteuerte Ludolf. »Aber warum hat Kunibert die Maria bekommen, wenn Ulrich sie so sehr liebt?«
»Tja. Ich weiß auch nicht, womit er ihn unter Druck gesetzt hat.« Sie zuckte heftig mit den Schultern, sodass das prall gefüllte Kleid jeden Augenblick zu platzen drohte. »Aber bei seinen Mauscheleien würde es mich auch nicht wundern. So wie er den Leuten das Geld abknöpft.«
»Was meint ihr damit?«, fragte Agnes.
»Ich habe nur gehört, dass er Leute unter Druck setzt, wenn sie das von ihm geliehene Geld nicht zurückzahlen können oder wollen.«
Ludolf und Agnes nickten zustimmend. Genau das hatte auch die ältere Nachbarin in Marias Haus erzählt. Dieses Geldverleihen war in Rinteln also schon bekannt. Das musste für Ulrich von Engern ein einträgliches Geschäft sein, das schweigend toleriert wurde. Wenn die kleinen Leute ausgebeutet wurden, krähte kein Hahn danach. Sie hatten niemanden, der für sie einstand oder in ihrem Namen für sie stritt. Die reichen Leute, Händler, Ritter und ähnliche, hatten genug Macht und Einfluss, um sich so etwas nicht gefallen zu lassen.
»Kennt ihr jemanden, der besonders gelitten hat?«
Helene Lampe rieb sich ihre rosigen Wangen. »Nö. Entweder schweigen die Leute aus Scham, oder sie sind inzwischen weg, weil sie von ihrem Land vertrieben wurden.«
Die beiden Besucher schauten sich fragend an. Gab es noch andere offene Fragen, die gestellt werden konnten? Ihnen fiel nichts mehr ein. Also standen sie auf und bedankten sich herzlich bei Ulrichs Schwägerin.
Im Hinausgehen ergänzte Helene noch: »Ich helfe euch gern, wenn dadurch Katharinas Mörder gefunden wird oder wenigstens dieser unverschämte Ulrich endlich so richtig einen aufs Dach bekommt.«
Die kleine Töpferei
Unschlüssig standen Ludolf und Agnes vor dem Haus der Lampes. Wohin sollten sie sich nun wenden? Wer konnte oder wollte ihnen überhaupt noch helfen? Der Konflikt zwischen Ulrich und Kunibert war offensichtlich. Der Druck war so stark gewesen, dass von Engern sogar seine kleine Geliebte aufgegeben hatte. Für manche Leute war das eindeutig einen Mord wert. Und dann gab es da noch diesen Holzfäller Hartwich. Er hatte ebenfalls auf Maria verzichten müssen, konnte sie aber nicht aufgeben, wie sein Besuch am Morgen des Mordtages bewies. Auch er hatte Grund, Kunibert den Tod zu wünschen. Zu allem Überfluss behinderten Prutze und Silixen die Nachforschungen. Hatte Ulrich sie dazu angestiftet? Vielleicht. Aber möglicherweise hatten die beiden auch eigene Gründe, die aber eher vom Verwalter ausgingen als vom Bürgermeister. Und Ulrich hielt wiederum seine Hand über Hartwich. Wie konnte man dieses Bollwerk knacken, ohne selbst in Gefahr zu kommen?
»Lass uns noch einmal zu Nikolaus Binder gehen«, schlug Agnes vor. »Möglich, dass er uns einen Rat geben kann.«
Die beiden eilten los. Sie fanden den ehemaligen Verwalter wieder im Garten. So wie gestern saß er auf seiner Bank zwischen den Bäumen und genoss die wärmende Sonne. Sein Stock lag quer auf seinen Knien, und er hatte seine Arme entspannt über seinem Bauch verschränkt. Freudig begrüßte er die Ankömmlinge. Ludolf und Agnes setzen sich zu ihm.
»Was gibt es Neues?«, fragte der Alte.
Sie erzählten von den Ereignissen des Morgens.
Binder schnaufte ärgerlich, als sie vom Auftritt seines Neffen berichteten. »Konrad ist sehr eigennützig. Als mir das Verwalteramt aufgrund des Alters zu viel wurde, empfahl ich Konrad. Damals war er noch ein anständiger und fleißiger Bursche, der mir immer sehr gut geholfen hatte. Aber inzwischen ist er stetig eigensinniger und anmaßender geworden. Selbst
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