Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
gegeben, den man sich vorstellen konnte. Es wäre bestimmt nicht bei einem verbalen Angriff Agnes’ auf Ulrich geblieben. Dieses Schwein musste so schnell wie möglich festgesetzt werden. Erst Maria, dann Adelheid und Ursula, jetzt Elisabeth. Was für ein Scheusal!
Agnes zwang sich zur Ruhe, um weitere Fragen zu stellen: »Habt ihr etwas von dem Unglück Marias mitbekommen?«
»Nein. Weder was die Tage passiert ist noch was beim vorherigen Mal war.«
»Habt ihr denn den Zwist zwischen Ulrich und Kunibert mitbekommen?«
Elisabeth wich wieder aus: »Ich mache meine Arbeit und halte mich so gut es geht zurück. Ich höre nicht, was die Herrschaften machen.«
»Und das, wo der Herr von Engern doch so ... persönlich zu euch ist?«
Sie lächelte verlegen. »Das eine bedingt doch nicht das andere. Oder?«
Agnes nickte. Das war leider wahr. »Habt ihr denn den Holzfäller Hartwich schon bei eurem Herrn gesehen?«
»Ich habe viel zu arbeiten und sehe selten die Besucher.«
Noch ehe Agnes etwas sagen konnte, blieb Elisabeth stehen und zeigte auf ein gepflegtes Haus. »Hier wohnt Helene Lampe.«
Gerade als sie sich umdrehen und forteilen wollte, legte ihr die Nonne die Hand auf den Arm. »Es ist besser, wenn ihr dem Ulrich nichts von dem Gespräch sagt – jedenfalls vorläufig nicht. Seid tapfer! Ich werde dafür sorgen, dass euch geholfen wird.«
Die junge Magd blickte Agnes kurz mit großen Augen an und verschwand dann im Laufschritt.
Nach dem Klopfen öffnete eine rundliche, rotwangige Frau von knapp fünfzig Jahren. Ihre prallen Formen spannten unter dem viel zu engen Kleid, sodass sie wie eine Wurst in einer bis zum Platzen gespannten Pelle aussah. Sie hatte ein spitzbübisches Lächeln, das sie sehr nett wirken ließ.
Nach der freundlichen Begrüßung stellten sich Agnes und Ludolf vor und trugen ihr Anliegen vor. Sofort veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Böse funkelte sie die beiden an.
»Ich will nichts davon wissen. Mit Ulrich will ich nichts mehr zu tun haben.«
Ehe die Tür zugeschlagen werden konnte, trat Agnes schnell einen Schritt näher. »Ihr seid Helene Lampe?«
»Wer sonst?«, antwortete sie bissig.
»Wollt ihr nicht wissen, was mit eurer Schwester Katharina passiert ist?«
Die Frau hielt erstaunt inne. »Ich denke, es geht um Kunibert?«
»Wir vermuten aber, dass der Tod Kuniberts die gleiche Ursache hat wie der eurer Schwester.«
Nachdenklich schaute sie zwischen den jungen Leuten hin und her. Schließlich bat sie die beiden mit verzagter Stimme hereinzukommen. Durch einen geräumigen Flur ging es in eine Stube, die einfach, aber sehr gemütlich eingerichtet war. Bunte Vorhänge umrahmten das kleine Fenster mit den Butzenscheiben. Um den Tisch standen mehrere Stühle mit Sitzkissen und an der einen Seite ein wuchtiger Schrank, der mit leuchtenden Blumenornamenten bemalt war.
Helene bot den Besuchern einen Platz an und fragte dann: »Wie kommt ihr darauf, dass die gleiche Person Kunibert und Katharina umgebracht hat?«
»Bis jetzt kennen wir noch keine Einzelheiten. Aber was die Magd Jutta erzählte, deutet auf eine große Ähnlichkeit im Geschehen damals und jetzt hin. Das möchten wir nun überprüfen.«
Die Frau nickte.
»Was könnt ihr uns zu den Umständen des Todes eurer Schwester sagen?«
Helene Lampe stützte sich mit ihren fleischigen Armen auf den Tisch und schwieg. Nachdenklich starrte sie auf den leeren Krug, der mitten auf den Tisch stand. Eine einzelne Träne lief ihr die Wange hinunter. Mit einer fahrigen Handbewegung wischte sie sie weg und schniefte geräuschvoll. Endlich begann sie zu sprechen: »Ulrich hat sich nicht viel um Katharina gekümmert. Er war ja andauernd mit seinem Bruder irgendwo in der Welt unterwegs. Als Zimmermannsleute waren die beiden nicht besonders erfolgreich, hatten das gut laufende Geschäft ihres Vaters innerhalb weniger Jahre ruiniert.«
»Verstand er sich gut mit seiner Frau?«, wollte Agnes wissen.
»Ulrich kümmerte sich einen Dreck um Katharina. Er nahm keinerlei Rücksicht. Dabei war sie schon ihr Lebtag immer anfällig gewesen. Nach jeder Fehlgeburt war sie schwächer geworden. Das brachte sie langsam um, aber Ulrich nahm keine Rücksicht. Er wollte, dass der Haushalt funktionierte – wenn er denn mal vorbeikam – und dass Katharina ihm dann Tag und Nacht zur Verfügung stand. Aus Rücksicht auf seine Frau hätte er ab und zu enthaltsamer sein sollen. Dieses selbstherrliche Aas! Und schließlich ...« Ihre Stimme stockte.
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