Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Ich habe kein Wort verstanden.«
»Und wie war sie bei Kunibert?«
»Du liebe Güte!« Helene schlug ihre fleischigen Hände klatschend vor ihrer Brust zusammen. »Was für ein Trara! Der arme Kunibert durfte sie kaum anfassen. Maria schaute immer wieder zu Ulrich hinüber. Und wenn der nickte, dann war’s in Ordnung. Wie wohl die Hochzeitsnacht abgelaufen ist? Stand Ulrich da auch neben dem Bett und nickte?«
Agnes wurde ganz rot. Als sie vorsichtig zu Ludolf hinübersah, bemerkte sie dagegen sein höhnisches Grinsen. Typisch Mann! Kein Wunder, dass ihm diese Vorstellung gefiel. Aber davon abgesehen stimmte die Bemerkung mit der Erzählung von Kuniberts Freund Werner Lothe überein, dass die Ehe noch immer nicht vollzogen worden war. Aber war das ein Wunder? Der eine misshandelte das Mädchen jahrelang, sodass sie meinte, alle Männer wären wie er. Agnes erinnerte sich nur zu gut daran, mit welcher Abscheu Maria »Männer« gesagt hatte – oder eher herausgepresst hatte.
Inzwischen hatte Ludolf das Wort ergriffen und fragte: »Um noch einmal auf den Tod eurer Schwester zurückzukommen: Hattet ihr einen Verdacht, wer es gewesen war?«
Helene Lampe wurde wieder ernster. »Niemand konnte sagen wer. Zuerst dachte ich ja ...« Sie hielt inne.
»Was habt ihr gedacht?«
Sie strich sich über ihre runden Wangen. »Erst dachte ich, dass es ... Maria gewesen war.«
»Warum?«
»Nun ja. Sie war verschwunden, und wir dachten, sie hätte Katharina umgebracht und wäre dann abgehauen. Aber schließlich fanden wir das Mädchen. Sie war voller Wunden – war also selbst angegriffen worden.«
Ludolf wurde immer neugieriger: »Bitte erzählt genauer, was an dem Tag damals passiert ist.«
Unter Schluchzen und den nun wieder fließenden Tränen berichtete Helene Lampe. Die Magd Jutta war damals krank und lag mit Fieber im Nebenhaus, damit sie die schwächliche Herrin nicht noch ansteckte. Helene kümmerte sich um Katharina und schlief in der Kammer neben ihr. An dem Tag des Unglücks zog ein Gewitter auf. Helene lief schnell nach Hause, um die noch offenen Fenster zu schließen. Sie kam mitten im Gewitter zurück und fand ihre Schwester tot auf.
»Hatte denn niemand etwas gehört?«, wollte Ludolf wissen.
»Jutta hatte zwar was gehört, sich aber nichts dabei gedacht. Sie dachte, es wäre wegen des einsetzenden Gewitters gewesen.«
»Das ist wirklich eine auffällige Ähnlichkeit zum Tod Kuniberts.«
Ärgerlich tippte Helene Lampe wieder mit dem Finger auf den Tisch. »Als Ulrich dann kam, hat er die tote Katharina kaum beachtet! Keinen Augenblick getrauert! Nur nach Maria gesucht! Ab da war der unmögliche Kerl für mich gestorben!«
»Verständlich.«
Die drei saßen nachdenklich um den Tisch und zermarterten sich das Gehirn, was diese Gleichartigkeit zu bedeuten hatte. Wo war die Verbindung zwischen Katharina und Kunibert? Ohne Zweifel bei Maria und Ulrich. Er war damals seine kränkliche Frau losgeworden, die nur noch ein Klotz am Bein war, und dieses Mal den Mann, der ihn gezwungen hatte, auf seine begehrte Maria zu verzichten. Und nur beim oberflächlichen Betrachten kam man auf den Gedanken, irgendein Feind wollte Maria zum Schweigen bringen.
Plötzlich kam Agnes eine Idee: »War Pater Bassenberg damals zufälligerweise da?«
Helene Lampe überlegte kurz. »Tatsächlich. Das hatte ich ganz und gar vergessen. Aber natürlich!« Sie wurde ganz aufgeregt. »Gerade als ich nach Hause wollte, kam er, um Katharina zu besuchen. Ich hatte ihn gebeten, solange bei ihr zu bleiben, bis ich wieder zurück war.«
»Hat er das getan?«
»Nein. Später entschuldigte er sich dafür. Er sagte, er hatte gehen müssen, als der Regen begann, weil ein Dachfenster seiner Wohnung noch offen stand. Als er gegangen war, war noch alles in Ordnung gewesen. Der Mörder muss also gewartet haben, bis der Pater gegangen war.«
Agnes schnaubte ärgerlich. Also kein mysteriöser, heimlicher Besuch des Geistlichen. Auch war er nicht bei Maria, sondern bei Katharina. Und an so einem Krankenbesuch ist nun wirklich nichts Unerklärliches. Wieder hatte sich ein Gedanke als Sackgasse erwiesen. Was hatte Bassenberg aber am Dienstagabend bei Maria gewollt?
Ludolf wandte sich wieder an Helene: »Kennt ihr Hartwich?«
»Natürlich kenn ich den! Das ist ein Kumpan von Ulrich. Überall, wo es was zu feiern gibt, ist er dabei. Dabei nett und freundlich – aber nur solange man seiner Meinung ist. Der ist genauso hinterhältig und verlogen wie
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