Die heilige Ketzerin: Historischer Kriminalroman (German Edition)
wussten, wollten nichts sagen, und die anderen wussten nichts. Aber sie durften nicht aufgeben, auch wenn die Lage aussichtslos erschien. Sie brauchten endlich jemanden, der den Mund aufmachte.
Ludolf war ärgerlich geworden. Er warf Hermann Brockmann entgegen: »Ist es euch so egal, warum Kunibert tot ist? Habt ihr kein Interesse daran, dass der Mörder bestraft wird?«
Statt des Mannes antwortete die Frau. Ihre Panik war unüberhörbar. »Wir wollen nix damit zu tun haben. Was nützt es uns, wenn wir dafür nächste Woche tot sind oder unser Geschäft ruiniert ist?«
»Wir können euch helfen, damit ihr beschützt werdet.« Ludolf schaute verstohlen zu Agnes hinüber. Ihre Augen blitzten wieder gefährlich. Er wusste, dass er wahrscheinlich zu viel versprochen hatte.
»Ihr?« Die Frau lachte hysterisch. »Dann müsst ihr so einflussreich und mächtig sein wie unser Graf oder der Bischof von Minden.«
»Das nicht. Aber der Graf und der Bischof stehen auf unserer Seite.«
»Trotzdem nicht!«
»Grete!« Brockmann schüttelte ärgerlich seine Frau ab. »Lass das!«
Sie sah ihn mit großen Augen an. »Was soll das! Willst du, dass wir wie Hunde krepieren?«
»Bitte!« Mit erhobenen Händen ging er auf seine vor ihm zurückweichende Frau zu. »Kunibert war mein Freund.«
»Der jetzt tot ist!«, schrie sie verzweifelt. »Wer ist dir lieber? Ich und die Kinder oder dein toter Freund?«
Hermann atmete tief durch. Er kämpfte mit dem Zwiespalt, einerseits seine Familie beschützen und andererseits Gerechtigkeit wegen Kuniberts Tod fordern zu wollen. »Ich liebe euch über alles, aber ich wäre ein schlechter Mensch, wenn ich diese Gelegenheit nicht nutzen würde.«
Seine Frau sagte nichts. Sie funkelte ihn nur böse an.
»Du weißt, wie schlecht ich seit vorgestern schlafe. Wenn wegen mir das verfluchte Schwein nicht erwischt wird, werde ich mir mein Lebtag Vorwürfe machen. Willst du das?«
Die Frau begann zu weinen. Ihr Mann wollte sie in den Arm nehmen, aber sie wehrte sich und schob ihn immer wieder fort. Schließlich gab sie jedoch nach und ließ sich umarmen. Das Paar stand einen Augenblick umschlungen in der Werkstatt.
Schließlich begann Brockmann wieder: »Kunibert war ein guter Kollege, immer treu und ehrlich. Er mochte den Hartwich auch nicht. Aber zum Glück war er in einer anderen Truppe. Ich musste diesen Hund aber Tag für Tag ertragen. Seine Geringschätzung für die Kollegen, sein Gebrüll, seine verletzenden Bemerkungen, seine Faulheit. Nur wenn es um die Bezahlung ging, war er der König und sahnte gnadenlos ab.«
Grete Brockmann hatte sich wieder einigermaßen beruhigt. Sie wischte sich die Tränen ab und ging, um das Mittagsmahl zuzubereiten.
Ihr Mann erzählte weiter: »Hartwich hat einflussreiche Freunde, die ihn gegen Angriffe beschützen. Ulrich und einen anderen, mir unbekannten. Ich habe ihn nie gesehen oder seinen Namen gehört. Es ist aber jemand hier aus Rinteln, der Einfluss haben muss.«
»Deswegen habt ihr Angst?«, wollte Agnes wissen.
»Ja. Seit Hartwich zum Vorarbeiter befördert wurde, bekamen wir immer wieder besondere Aufträge. Wir sollten Holz in den Forsten schlagen, wo allen klar war, dass die jemand anderem gehörten.«
»Hat das denn niemand gemerkt?«
Hermann schnaufte böse. »Ach, sicher! Aber Hartwich teilte Aufpasser ein, die sofort Alarm schlugen, wenn jemand kam. Der geschädigte Waldbesitzer sah nur noch die Baumstümpfe und die Späne.«
»Gehört Ulrich von Engern auch zu den Holzdieben?«
Brockmann kratzte sich verlegen am Nacken. »Tja. Keine Ahnung. Aber einige Leute, die dem Hartwich quer kamen, mussten auf Druck von Ulrich plötzlich Rinteln verlassen. Der Kerl hat doch viele arme Leute in der Hand.«
»Und was ist mit euch? Ihr gehört nicht mehr zu der Truppe, aber wohnt hier noch?«
»Ich bin früh genug weg. Ich will ehrlich leben und mir nichts zuschulden kommen lassen. Obwohl es allen in Hartwichs Truppe wirklich gut geht. Keiner leidet Not.«
Ludolf und Agnes sahen sich an. Jetzt mussten sie diese einmalige Möglichkeit nutzen, um Hartwich und möglicherweise auch Ulrich von Engern zu Fall zu bringen.
Agnes wandte sich an den Töpfer: »Bitte kommt mit zum Bürgermeister. Dort wird Hartwich des Holzdiebstahls angeklagt. Den Verwalter von Möllenbeck und den Domdekan zu Minden werden wir auf dem Weg dorthin holen. Wir werden euch schon beschützen.«
Brockmann schloss die Augen und atmete mehrfach tief durch. Nach einem Augenblick
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