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Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder

Titel: Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Machtbedürfnisse aus. Weil er das Bedürfnis nach Vergnügen verdrängt hat, sucht sich dieses Bedürfnis einen anderen Weg, Lust zu empfinden. Und so empfindet er die Lust, indem er andere beherrscht. Oder spirituelle Menschen, die die Sexualität verdrängen, haben dann oft ein übertriebenes Geltungsbedürfnis. Wer sich nur für andere aufopfert, merkt gar nicht, wie er damit manchmal auch Macht ausübt. Er möchte sich die, für die er sich aufopfert, auch gefügig machen.
     
    Was verdrängt wird, wirkt sich als Schattenseite weiterhin im Menschen aus. Die Schattenseiten zeigen sich manchmal in Träumen, etwa wenn wir verfolgt werden. Was uns verfolgt, ist meistens das, was wir unterdrückt haben. Die Schattenseiten drücken sich auch im harten Urteil über andere aus. Was wir bei anderen bekämpfen und verurteilen, ist meistens der eigene Schatten. Wenn wir übertrieben reagieren auf eine Erzählung oder auf eine Kritik eines anderen, dann meldet sich darin der Schatten zu Wort. Die häufigste Weise, wie sich der Schatten zeigt, ist die Projektion. Wir projizieren unsere Schattenseiten, unsere verdrängten Schwächen und Fehler auf andere Menschen. Oft genug muss dieser Mensch für eine ganze Gesellschaft zum Sündenbock herhalten, auf den man alles projiziert, was man bei sich selbst nicht wahrnehmen möchte. Doch dieser Sündenbockmechanismus löst den Schatten nicht auf, sondern führt dazu, dass man immer neue Sündenböcke braucht, um von seinen eigenen Schatten abzulenken. Es gibt noch eine andere Weise, wie sich der Schatten ausdrückt:Er manifestiert sich im Leib. Der Leib übernimmt dann die verdrängten Bedürfnisse. Wenn sich z.   B. jemand ganz und gar für andere aufopfert und alle eigenen Bedürfnisse beiseite schiebt, dann zwingt ihn oft der Leib durch eine Krankheit, dass er sich die Zeit gönnt, die er sich bewusst niemals nehmen würde. Der depressive Mensch, der seine Aggressionen verdrängt hat, lebt sie unbewusst aus, indem er andere warten lässt mit seiner Langsamkeit.
     
    C.   G.   Jung hat sich sehr intensiv mit diesen Schattenseiten auseinandergesetzt. Idealbilder sind gut für die Entwicklung des Menschen. Aber es braucht noch eine andere Haltung, die heute nicht sehr modern klingt: es ist die Demut, von der der heilige Benedikt in seiner Regel soviel geschrieben hat und die für C.   G.   Jung ein entscheidendes Kriterium für einen reifen und weisen Menschen ist. Demut ist der Mut, hinabzusteigen in das eigene Schattenreich, in die Tiefen der Seele, in denen all die verdrängten Bedürfnisse und Emotionen und Leidenschaften wohnen. Jung spricht davon, dass niemand »den Schatten ohne einen beträchtlichen Aufwand an moralischer Entschlossenheit zu realisieren« vermag. »Handelt es sich bei dieser Realisierung doch darum, die dunklen Aspekte der Persönlichkeit als wirklich vorhanden anzuerkennen. Dieser Akt ist die unerlässliche Grundlage jeglicher Art von Selbsterkenntnis und begegnet darum in der Regel beträchtlichem Widerstand.« (Jung, Welt der Psyche 71) Von seiner eigenen Erfahrung mit dem Schatten schreibt Jung: »Mein Schatten ist in der Tat so groß, dass ich ihn in meinem Lebensplan unmöglich übersehen konnte, ja ich musste ihn als unerlässlichen Teil meiner Persönlichkeitansehen, die Konsequenzen aus dieser Einsicht ziehen und die Verantwortung dafür auf mich nehmen. Ich habe durch viele bittere Erfahrungen einsehen müssen, dass die Sünde, die man hat oder ist, zwar bereut, aber nicht aufgehoben werden kann.« (Briefe II 518) Es verlangt Demut, die eigenen Schattenseiten anzuerkennen. Das bedeutet nicht, dass wir den Schatten ausleben. Aber nur wenn wir ihn uns bewusst machen, wird er aufhören, sich destruktiv auf uns auszuwirken.
     
    Idealbilder sind gut. Aber sie verlangen nicht nur Begeisterung, sondern zugleich Demut. Wer sich nur schwärmerisch für ein Idealbild begeistern kann, der ist immer in Gefahr, sich über seine eigene Wirklichkeit zu erheben. Er gleicht dann dem Ikarus, der fasziniert ist, immer höher aufzusteigen. Doch dann kommt er der Sonne zu nahe, die seine Flügel aus Wachs zum Schmelzen bringt. So stürzt er jäh ab. Jung schreibt einem Mann, der davon schwärmt, er sei im Vollbesitz seiner selbst und sei daher fähig, alles und alle zu lieben, recht skeptisch, er scheue solche großen Worte. Er kenne zwar solche Erfahrungen, aber er habe dann immer das Empfinden, »dass ich die Last des Menschseins abgeworfen habe und dass sie

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