Die Heilsame Kraft Der Inneren Bilder
mit verdoppelter Schwere auf mich zurückfallen wird.« (Briefe II 472) Das Idealbild soll uns voran bringen. Aber es bedarf der Demut, dass wir mit dem Idealbild nicht abheben, uns so damit identifizieren, dass wir die eigenen Schattenseiten verdrängen.
Diese Demut haben im Übrigen viele Heilige bewiesen. Sie haben hohe Ideale gelebt und sich trotzdem immer alsSünder gefühlt. Der heilige Franziskus wollte das Bild Jesu in sich verwirklichen. Zugleich war er ein ganz bescheidener Mensch. Wir brauchen aber nicht nur in die Geschichte der Heiligen zu sehen. Auch heute begegnen wir Menschen, die im Licht der Öffentlichkeit stehen und von vielen idealisiert werden, die aber dennoch bescheiden bleiben. Sie wissen, dass sie nicht so ideal sind, wie manche sie sehen. Sie tun in unseren Augen Großes. Aber sie bleiben auf dem Boden. Sie wissen um ihre eigene Brüchigkeit. So habe ich Henri Nouwen erlebt, den ich wegen seiner spirituellen Bücher bewundert habe. Doch in der Begegnung machte er nichts aus sich. Er wusste um seine eigene Gefährdung und hatte daher eine Ausstrahlung und Echtheit und Bescheidenheit.
ÜBUNG:
Welche Idealbilder haben dich als Kind angesprochen? Wem wolltest du immer nacheifern? Was haben diese Idealbilder in dir bewirkt? Wo haben sie dich voran gebracht? Wo waren sie auch eine Überforderung? Haben sie dich dazu geführt, wichtige Aspekte deiner Seele zu verdrängen oder zu unterdrücken? Was ist heute ein Idealbild, das dir gut tut, das dich heraus fordert, an dir zu arbeiten und weiter zu wachsen? Schau deine Idealbilder an und frage dich immer auch nach den Schattenseiten, die unter dem Idealbild liegen. Söhne dich mit beidem aus: mit den Idealbildern, die dir deine Möglichkeiten und Fähigkeiten zeigen, und mit den Schattenseiten, die dich drängen, mit beiden Beinen auf Erden zu stehen und demütig zu werden.
Erwartungen, die andere uns überstülpen
In der Begleitung von Menschen, die unter einem Burnout leiden, mache ich immer wieder die Erfahrung, dass manche zu viel Energie verbrauchen, weil sie die Erwartungen anderer erfüllen. Sie sind nicht in Berührung mit ihren eigenen inneren Bildern. Sie haben sich vielmehr von den Eltern, von Freunden, von der Firma, von der Gesellschaft Bilder überstülpen lassen, die ihnen nicht gut tun. Wenn ich ständig auf die Erwartungen anderer schiele, komme ich nicht in meine eigene Kraft. Meine Müdigkeit ist oft genug ein Kriterium, um zu erkennen, dass ich nicht mein Bild lebe, sondern dem Bild gerecht werden möchte, das andere mir aufgesetzt haben. Ich lebe nicht aus meiner eigenen Mitte, aus der inneren Quelle, sondern von den Erwartungen anderer her. Ich möchte bei allem, was ich tue, die Erwartungen der anderen erfüllen.
Eine Frau, die unter Burn-out litt, erzählte mir, dass sie ihr ganzes Leben lang immer geschaut habe, wie sie die Erwartungen anderer erfüllen konnte. Als Kind hatte sie sich in einer Kirchengemeinde wohl gefühlt. Aber sie hat dieses Wohlgefühl damit bezahlt, dass sie sich immer für andere engagiert hat. Auch in ihrer Arbeit war das ihr inneres Bild: Ich leiste etwas, damit ich geliebt werde. Ihre erste Frage zuinnerst war: Was erwarten die Menschen von mir? Und sie antwortete für sich selber auf diese Fremderwartung: Das werde ich mit aller Kraft tun. Doch das führte dazu, dass sie die Beziehung zu sich selbst verlor.Das Bild, das sie sich schon als Kind eingeprägt hat, hat sie letztlich überfordert. Und es war für sie dann ein langer Weg, sich selbst zu spüren und aus dem heraus zu leben, was sie selbst wollte, die Bilder zu finden, die ihrem Wesen entsprechen, authentisch das zu leben, was ihrem Wesen entsprach. Sie merkte, dass sie viele Menschen enttäuschen musste, die sich daran gewöhnt hatten, dass sie immer alles macht, was man von ihr erwartet. Die Erwartungen hat man jedoch versteckt, indem man ihr gesagt hat: Das kannst du schon. Man hat ihr etwas zugetraut. Aber eigentlich steckte hinter diesem Zutrauen die Erwartung, auf die sie immer wieder hinein gefallen ist. Bis es nicht mehr ging.
Nicht nur Frauen stehen in einer solchen Gefahr. Ein Mann in leitender Stellung hatte immer das Bild in sich, er müsse den Leuten beweisen, dass er immer alles im Griff hat, dass er sich jedem Problem stellt, das auftaucht. Doch von seiner Herkunft aus der Landwirtschaft hatte er ganz andere Bilder in sich, vor allem Bilder des Wachsens und Wachsenlassens. Das ehrgeizige Bild hat
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