Die Heimkehr Der Tochter
hatte so gar keine Ähnlichkeit mehr gehabt mit dem schlaksigen, lustig aussehenden Kind, an das er und alle anderen in Ruby Falls sich erinnerten.
Ihr gutes Aussehen auf den Fotos hatte er jedoch, ohne weiter darüber nachzudenken, der Kunst der Fotografen und Visagisten und einer geschickten Aufnahmetechnik zugeschrieben. Dass sie in natura ebenso schön war, hätte er nicht vermutet. Wenigstens kleine Schönheitsfehler hätte er für normal gehalten, doch er entdeckte keine.
Sie hatte nur ein Minimum an Make-up aufgelegt, aber ihre Haut war hell und porzellanartig ohne die kleinste Sommersprosse. Ungewöhnlich für eine Rothaarige.
Ihr Gesicht war geradezu perfekt, jedenfalls so perfekt, wie ein Mensch sein konnte: hohe Wangenknochen, schmale, gerade Nase, feste Kinnlinie, üppige Lippen und große grüne Augen, leuchtend wie Smaragde. Sie wurden von so dichten Wimpern gerahmt, dass er sie für falsch gehalten hätte, wenn er nicht genau gesehen hätte, dass sie echt waren.
Und dieses Haar. Das allein konnte einen Mann verrückt machen. Obwohl er diese Maggie nicht mal mochte, juckte es ihn, die Finger in ihre sexy Mähne zu tauchen, um das Haar über seine Haut gleiten zu spüren.
Um Himmels willen, reiß dich zusammen, Garrett, tadelte er sich im Stillen. Das hier ist Maggie Malone, der Teufelsbraten von Ruby Falls.
Dennoch hatte er Mühe, den Blick von diesem herrlichen Haar zu lösen. Es war flammendrot, schimmerte wie Satin und war so dick und lockig, dass es ein Eigenleben zu führen schien. Gestern hatte sie es windzerzaust und offen getragen, heute mit einer breiten Spange im Nacken zusammengenommen, doch es war nur geringfügig gebändigt und fiel ihr in einer wilden, lockigen Kaskade den Rücken hinab. Sobald durch die Bäume ein Sonnenstrahl fiel, schien es Feuer zu fangen.
Nur wenige Rothaarige hatten es in der Modewelt zu Topmodels gebracht, und noch weniger hatten Maggies Aus-
Strahlung. Das lag nicht nur an Haar- und Augenfarbe, so spektakulär sie auch waren. Es lag an ihrer Selbstsicherheit und an ihrer stolzen Haltung. Sie war von einer knisternden Aura umgeben, die besagte: Achtung, Welt, hier komme ich.
Das zeigte sich vor allem in dem Lachen, das so oft in ihren Augen tanzte und um die Winkel ihres vollen Mundes spielte. Als hätte sie ein Geheimnis, das außer ihr niemand kannte.
Dieses Geheimnisvolle wirkte ungemein anziehend, eigentlich unwiderstehlich. Es forderte jeden auf zu entdecken, was hinter diesem kessen Zwinkern steckte.
Kein Wunder, dass sie schon wenige Monate nach ihrer Ankunft in New York zur Spitze der Models gehört hatte. In einer Branche, die von kühlen, kultivierten Blondinen und sinnlichen Brünetten beherrscht wurde, stach Maggie Malo- ne hervor wie ein leuchtender Schmetterling in einem Schwärm von Motten.
Und offensichtlich war sie genauso flatterhaft und schwer zu packen wie ein hübscher Falter.
Die Finger in die Gesäßtaschen ihrer Jeans gehakt, ging sie schweigend neben ihm her und ließ den Blick durch die Plantage schweifen. Offenbar hatte sie seine Gegenwart völlig ausgeblendet, als wäre er gar nicht da.
„Ich habe mich wohl geirrt in der Annahme, dass Jacob Sie sehen wollte."
Als er sie ansprach, zuckte sie leicht zusammen und streifte ihn mit einem Seitenblick.
„Ja, meinen Sie?"
„Nun ja, der Verdacht drängt sich auf. Die meisten Väter und Töchter würden sich nach so langer Trennung über ein Wiedersehen ganz bestimmt sehr freuen."
„Vermutlich", räumte sie ein. Ein Lächeln zuckte um ihren Mund. „Aber Daddy und ich waren nie wie die meisten Väter und Töchter."
Dan wartete auf weitere Erläuterungen, doch sie ging nur mit geradeaus gerichtetem Blick schweigend neben ihm her.
„Aus dem Wortwechsel zwischen Ihnen und Ihrem Vater eben darf man wohl schließen, dass die alte Geschichte über Sie stimmt?"
Sie lachte leise, doch es war ein bitteres Lachen ohne jede Heiterkeit. „Und was für eine Geschichte ist das bitte? Vergessen Sie nicht, dass ich jahrelang das Lieblingsthema aller Klatschmäuler war. Und vermutlich bin ich es noch. Es gibt mehr Gerüchte über meine Umtriebe in der Stadt als Pfirsiche auf den Bäumen."
„Ich meine die, dass Jacob Sie hinausgeworfen hat, weil Sie versucht haben, den Verlobten Ihrer Schwester zu verführen."
„Ach so, das."
Die Veränderung in ihrer Haltung war gering, aber unverkennbar. Alle Anzeichen von Belustigung wichen aus ihrer Mimik. Sie zog die Hände aus den Jeanstaschen,
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