Die Heimkehr des Highlanders
neugierig anglotzten, als sie ihn entdeckten.
Nun glaubte er der Geschichte seiner Schwester. Joan musste tatsächlich aus der Zukunft gekommen sein, in der er sich gerade selbst befand. Er hatte sich auf die Suche nach ihr gemacht. Als er sie jedoch auch nach vielen Tagen nicht fand, war er enttäuscht zurück zu dem Erdloch gekehrt, um wieder in seine Zeit zu reisen.
Erstaunt hatte er festgestellt, dass er nur wenige Stunden fort gewesen war und ihn niemand vermisst hatte. In der Gewissheit, dass er sie nie wieder sehen würde, hatte er versucht, sein gewohntes Leben weiter zu leben und sie zu vergessen.
Als wäre es erst gestern gewesen, sah er seine Schwester aufgeregt vor sich, wie sie eines Tages zu ihm geeilt und ihm atemlos mitgeteilt hatte, dass Joan wieder da sei – in der Nähe des alten Broch hatte Màiri sie aufgelesen.
In einer verlassenen Pächterkate hatte sich das Paar zum ersten Mal geliebt – und nach Dòmhnalls anfänglicher Weigerung, die Engländerin als Schwiegertochter anzusehen, war sie doch Ewans Frau geworden, seine Sèonag, die er mehr als alles auf der Welt liebte und die ihm einen wunderschönen Sohn geboren hatte, in dem er weiterlebte, wenn er selbst schon längst das Zeitliche gesegnet haben würde.
Ewans weiche Lippen hatten sich unwillkürlich zu einem zärtlichen Lächeln verformt und plötzlich bereute er es, seine Frau daheim gelassen zu haben. Freilich hätte ihn Joan begleiten können, aber Donny war auf die Brust seiner Mutter angewiesen, auch wenn Lenya ihm öfters den Zipfel eines in Schafsmilch getränkten Tuches in den Mund schob, wenn Joan in Baile a’Coille oder dem Glen war und nicht rechtzeitig zur Stillzeit zurückkommen konnte. Für den Jungen war die Reise noch zu anstrengend und Joan würde sich nie mehr als ein paar Stunden von ihm trennen.
Unvermittelt spitzte Ewans Pferd die Ohren, gleich darauf blieb es stehen. Angestrengt horchte Ewan in den Wald hinein, und dann hörte er es auch: Das schwache, verzweifelte Rufen einer Frau.
Die Stimme drang aus dem Unterholz, und als sie erneut verzweifelt um Hilfe rief, saß Ewan ab, ohne an eine eventuelle Gefahr zu denken. Er band den Zügel seines Hengstes an einen festen Baumast und folgte den Hilferufen. Sein Weg führte ihn durch dichtes Gestrüpp, dabei riss er sich ein großes Dreieck in sein Plaid.
Ewan ignorierte es aus Angst, er könne nicht mehr rechtzeitig zur Hilfe kommen.
»Haltet durch!«, rief Ewan aufs Gradewohl ins Dickicht. Das Rufen der Frau wurde lauter. Er musste die Mitte des Waldes erreicht haben, denn die Eichen standen dicht an dicht, und trotz des fehlenden Laubwerks konnte man kaum den Himmel erkennen.
Endlich erreichte Ewan eine in einen grauen Umhang gehüllte kniende Frau. Den Kopf hatte sie gesenkt, er war von einer übergroßen Kapuze bedeckt. Sie war nicht zu erkennen.
Die Frau machte keine Anstalten aufzusehen, als Ewan näher trat, und stutzig geworden, fragte: »Wer seid Ihr? Wie kann ich Euch helfen?«
Die Frau verharrte in ihrer kauernden Stellung. Zögernd trat er noch einen Schritt näher und wiederholte seine Frage.
Doch kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, verspürte er einen Schlag auf den Hinterkopf; dann wurde es Nacht um ihn.
5. Kapitel
Mit einem zufriedenen Nicken drehte Robin Lamont das kleine geschnitzte Holzpferd in den Händen. Tagelang hatte er daran gearbeitet, es war als Geschenk für sein Patenkind Donny gedacht, das bald in ein Alter kam, in dem es ein Spielzeug brauchte.
Entgegen der allgemeinen Vermutung hatte der Frost noch nicht Einzug gehalten, sodass Robin sich kurzerhand entschloss, noch einmal hinunter nach Baile a’Coille zu reiten, um seine wenigen Freunde vor dem endgültigen Wintereinbruch zu besuchen.
Es handelte sich dabei um zwei Familien, die kleine Läden in Baile a’Coille betrieben. Zu den Kunden gehörten nicht nur Bewohner von Glenbharr, an dessen Fuß sich der Ort befand, sondern auch englische Soldaten, die in der Nähe stationiert waren und die zwar bedient, aber nicht sonderlich freundlich behandelt wurden.
Robin kannte die Ladenbesitzer seit fast zwanzig Jahren. Damals war er nach seiner unwiderruflichen Rückkehr ins achtzehnte Jahrhundert mit Ceana durch die Highlands gezogen und mit ihr oft auf dem Markt von Baile a’Coille gewesen, um die Dinge zu besorgen, die man weder züchten noch selbst herstellen konnte. Dabei hatte er die Familien Innes und Acair kennengelernt, die die örtliche Apotheke und eine
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