Die Heimkehr des Highlanders
spürte er wegen der Kälte kaum noch, und auch der Rest seines Körpers fühlte sich aufgrund der Bewegungslosigkeit taub an, die scharfen Kanten der Felsen in seinem Rücken taten ihr Übriges.
Es würde Tage dauern, bis man ihn vermisste – Mìchael wusste schließlich nichts von seinem Kommen und Joan wähnte ihn auf Barwick Castle.
Langsam kroch Panik in Ewan hoch. Solange er an diesen Eisenring gefesselt war, war er wehrlos. Sollte das sein Ende sein? Niemand würde seine Gebeine finden, wenn er in dieser Höhle sterben würde.
In plötzlicher ohnmächtiger Wut zerrte Ewan an seinen Fesseln, was jedoch lediglich zur Folge hatte, dass der Strick ihm noch tiefer in die Handgelenke schnitt. Mit einem resignierten Seufzen schloss Ewan die Augen und lehnte seinen Kopf gegen die raue Felswand. Er schwor sich, bis zur letzten Sekunde seines Lebens Widerstand zu leisten. Glücklicherweise hatte man seine Beine nicht gefesselt, vielleicht konnte er sich mit ihrer Hilfe gegen das teuflische Paar wehren.
Sein Magen machte sich bemerkbar. Seit dem Frühstück auf Glenbharr Castle hatte er nichts mehr gegessen und unbändiger Durst quälte ihn. Doch er würde sich lieber die Zunge abschneiden, als um einen Schluck Wasser zu schreien.
Nach einer weiteren Ewigkeit kündeten Geräusche an, dass Anna und Milford erneut auf dem Weg zu ihrem Gefangenen waren. Das Talglicht war fast niedergebrannt und Ewan erkannte, dass Milford eine Fackel bei sich trug, die den Höhlengang in ein gespenstisches Licht tauchte.
Diesmal blickte Ewan ihm entgegen, und auf Milfords Gesicht erschien ein triumphierendes Grinsen. »Schau einer an, wen haben wir denn da?«
»Was wollt Ihr von mir?« Ewans Stimme klang belegt, da seine Kehle inzwischen völlig ausgetrocknet war und die Zunge am Gaumen klebte. »Ich wähnte Euch längst in England.«
Milford kniete sich neben seinen Gefangenen, während Anna im Hintergrund blieb und die Szene mit großen Augen verfolgte. »Wie Ihr seht, habe ich es vorgezogen, noch ein Weilchen in Eurem wunderschönen Land zu bleiben.«
Er lachte höhnisch. Im Schein der Fackel sah er aus wie der Leibhaftige, und das Muttermal auf seiner linken Wange wirkte wie ein Kainsmal. »Ihr seid mir etwas schuldig, MacLaughlin, und nun ist der Zeitpunkt der Abrechnung gekommen.«
»Wovon redet Ihr?« Wieder rüttelte Ewan ergebnislos an seinen Fesseln. »Ihr habt Glenda geschändet und wolltet auch meine Frau vergewaltigen.«
Ohne auf Ewans Einwand zu achten, sagte Milford gedämpft, sodass Anna es nicht verstehen konnte: »Ob sich Euer Liebchen wohl die Augen aus dem Kopf heult, wenn sie Witwe ist? Ich könnte mir vorstellen, dass sie mich dann erhört.«
»Schwein!«
Hastig, bevor Ewan ihm einen Kopfstoß verpassen konnte, rückte Milford etwas ab. »Früher oder später wird sie merken, dass sie den falschen Mann geheiratet hat.«
»Ihr wollt mich also umbringen?« Ewans Stimme klang fest, obwohl er alles andere als siegessicher war. »Dafür wird man Euch hängen.«
Milford grinste verschlagen. »Wohl kaum, denn es gibt keine Zeugen. Offiziell befinde ich mich längst im Genesungsurlaub in England und kann nicht verdächtigt werden. Und außerdem: Eure Leiche wird niemand finden in dieser verrotteten Höhle.«Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »Bevor ich Euch meinen Dolch in die Brust stoße, soll meine schöne Begleiterin zu ihrem Recht kommen. Ohne ihre Hilfe wäre es mir schwergefallen, Euch zu überwältigen.«
Als hätte Anna nur auf das Stichwort gewartet, kroch sie näher. Ihr Blick war stolz, als sie sagte: »Du wirst dafür büßen, dass du mir diese abscheuliche Sasannach vorgezogen hast, obwohl du mich haben konntest.«
Wäre die Situation nicht so ernst gewesen, hätte Ewan lauthals aufgelacht. Dieses Mädchen, das mit allen Männern auf der Burg und im Clan kokettiert hatte, verglich sich mit Joan.
Anna hatte ihn nie besonders gereizt und nun, da sie mit wirrem Haar und schmutzigem Gesicht neben ihm kauerte, konnte er seine Abscheu gegen sie kaum verbergen. Entsetzt bemerkte er, dass ihre kalte Hand unter seinen breacan feile griff. Auf Roberts scharfe Bemerkung, dass Anna noch genug Zeit für ihre Spielchen blieb, zog sie eilig die Hand zurück.
Milford und Anna flüsterten kurz miteinander, dann entfernten sie sich wieder – und erst jetzt wurde Ewan bewusst, wie ernst die Lage war. Es war unmöglich, dem Dolch eines Gegners auszuweichen, wenn man gefesselt war, da halfen weder
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