Die Heimkehr des Highlanders
gestellt. Vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Nacht lungerte das rachsüchtige Paar im Wald herum, den schmalen Weg stets im Auge behaltend. Ein paar Mal hörten sie die Geräusche einzelner Reiter, aber jedes Mal wurden sie enttäuscht. Dass sie auf eine englische Patrouille stießen, befürchtete Milford weniger, aus Erfahrung wusste er, dass seine Landsmänner bei ungünstiger Witterung kaum die Wälder durchstreiften.
Auch nach mehreren Nächten hatte sich Anna nicht an die Höhle gewöhnt, sie war ihr zu kalt und die Luft legte sich wie ein eiserner Ring um ihre Brust. War sie anfangs noch begeistert gewesen, Ewan in ihre Gewalt zu bekommen, so langweilte sie sich zunehmend. Sie bereitete die Kaninchen zu, die Robert mit einer Falle fing und kochte aus dem, was sie ihrer Tante gestohlen hatte, recht schmackhafte Gerichte in dem ebenfalls gestohlenen Kessel, der an einem Holzgestell über dem Lagerfeuer baumelte.
Ansonsten verliefen die Tage eintönig, bald brannten Annas Augen vom stundenlangen Starren auf den Weg und der Rücken schmerzte vom Ducken hinter Hecken und Sträuchern. Sogar die Nächte hatten ihren Reiz verloren, denn Milfords Umarmungen waren immer flüchtiger geworden.
Anna sehnte sich nach einem heißen Bad, hier gab es nur einen Bachlauf mit klirrend kaltem Wasser. Doch jedes Mal, wenn sie sich bei Robert beklagte, fuhr er sie an und erinnerte sie an ihr Versprechen. Sie war ihm ausgeliefert. Zurück zu Tante Myra konnte sie so wenig, wie zu ihrem Vater in die Burg. Sie war in Roberts Hand, und das wusste er.
Bald hörte Anna auf, die Tage zu zählen. Die Stunden zogen sich in die Länge und mit Wehmut dachte sie an ihre behagliche Kammer auf Glenbharr Castle, die sie bewohnt hatte, bevor sie bei ihrem Vater in Ungnade gefallen war. Noch immer war sie davon überzeugt, dass Ewans Schlampe Schuld daran war, dass sie gehen musste. Der Stallbursche hatte beobachtet, dass sie winzige Glassplitter unter den Hafer von Joans Pferd gemischt hatte und sie erpresst. Widerwillig hatte sie Duncans ungeschickte Liebkosungen über sich ergeben lassen, damit er sie nicht bei Laird Dòmhnall anschwärzte. Als sie sich jedoch schließlich verweigerte, hatte Duncan sie geschlagen und sie war mit dem Gesicht gegen einen spitzen Stein geprallt. Ihr Vater schickte sie kurzerhand nach Kingussie, ohne zu fragen, wie es zu dem Unglück gekommen war.
Anna hatte ihm immer nur Kummer bereitet, war aufsässig und hochnäsig gewesen. Schließlich waren ihm ihre Liebesgeschichten zu Ohren gekommen. Er war sicher, dass kein ehrbarer Mann sie zur Frau nehmen würde, wenn seine fromme Schwägerin Myra das gefallene Mädchen nicht für eine gewisse Zeit unter ihre Fittiche nahm. So wurde Anna bei Nacht und Nebel nach Kingussie gebracht.
Selig lächelte Anna, als sie sich an Ewans Küsse erinnerte.
Er hatte während eines Festes etwas getrunken, und Anna hatte leichtes Spiel. Seine Lippen waren feucht und weich gewesen und sie hatte sich eng an ihn geschmiegt. Irgendjemand hatte nach Ewan gerufen, sodass er sich von ihr abwand. Er hatte danach nie wieder ihre Nähe gesucht, obwohl sich Anna alle erdenkliche Mühe gab, ihn auf sich aufmerksam zu machen.
Und dann war diese Fremde aufgetaucht. Erst irrtümlich als Wiedergeburt einer längst verstorbenen Hexe in den Kerker geworfen, wurde sie dann Ewans Braut. Für Anna war eine Welt zusammengestürzt.
Langsam strich sich Anna über die abstoßende Narbe auf ihrer Wange.
Noch während sie in ihre rachelüstigen Gedanken verstrickt war, fühlte sie sich leicht an der Schulter berührt. Robert legte zum Zeichen, dass sich Anna still verhalten solle, einen Zeigefinger auf den Mund und verdeutlichte ihr mit einer Kopfbewegung, dass sie ihm leise folgen sollte.
Annas Augen weiteten sich, als sie den einsamen Reiter erkannte, der dort des Weges kam. Trotz des Umhanges, den er über dem breacan feile trug, konnte man erkennen, dass es sich um Ewan MacLaughlin handelte, der es nicht eilig zu haben schien, denn sein Pferd trottete in gemächlichem Schritt.
Er war keine zehn Meter von seinen Beobachtern entfernt und schien völlig unbesorgt zu sein, denn er pfiff eine muntere schottische Weise vor sich hin.
Wohl an die hundert Mal hatten Robert und Anna durchgespielt, was jetzt zu geschehen hatte. Es genügten zwei Gesten von Milford, und Anna huschte zu der kleinen Lichtung, auf der der Überfall stattfinden sollte. Tief in ihren Umhang gehüllt, ließ sich Anna auf einem
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