Die Heimkehr des Highlanders
Wendigkeit noch Erfahrung im Kampf.
Fieberhaft versuchte Ewan, sich zu erinnern, wo genau er in die Falle gelockt worden war. Auf jeden Fall hatte er sich bereits auf dem Gebiet der MacGannors befunden, eine halbe Stunde Ritt wäre es ungefähr noch bis Barwick Castle gewesen.
Was nützte ihm sein Wissen, wenn er hier hilflos lag und man bereits über sein Schicksal entschieden hatte?
Die Frage, weshalb sie ihn nicht sofort tödlich niedergeschlagen haben, konnte sich Ewan inzwischen mit einiger Fantasie beantworten: Anna wollte ihre ganz spezielle Rache. Er lachte bitter auf. Solange er frei war, hatte er ihr immer wieder entwischen können, aber nun konnte sie mit ihm anstellen, was sie wollte.
Mit zurückgeworfenem Kopf sandte Ewan ein Stoßgebet zum Himmel. Dieser Kampf war unfair, weil er sich nicht wehren konnte.
Vor der Höhle marschierte Robert Milford auf und ab, während Anna vor dem Lagerfeuer hockte und in einer trüben Brühe rührte. Die Lebensmittel waren fast verbraucht, sodass Anna nichts anderes übrig blieb, als aus Wurzeln und Kräutern etwas halbwegs Genießbares zusammenzubrauen.
Freilich könnte man einen Markt aufsuchen, denn Milford hatte genug Geld bei sich, das hatte Anna genau gesehen. Aber sie war vernünftig genug, um zu erkennen, dass es zu gefährlich war, sich unter Menschen zu begeben. Möglicherweise hatte sich ihre Flucht aus Kingussie bereits herumgesprochen und ihr Vater ließ nach ihr suchen. Ebenso durfte Robert niemandem begegnen.
»Das riecht ja grässlich«, knurrte Milford, als er seine Nase über den dampfenden Kessel hielt. »Noch ein paar Tage dieser Fraß und mein Magen wird rebellieren.«
Schmollend sah sie zu ihm auf, Robert schaffte es immer wieder, sie zu kränken. »Wenn ich ordentliche Zutaten hätte, könnte ich dir jeden Tag ein Festmahl bereiten. Warum stellst du nicht wieder Kaninchenfallen auf?«
»Das solltest du wissen, Weib. Schließlich kann ich die Höhle nicht ohne Aufsicht lassen, also hör auf zu zetern.«
»Du übertreibst. Wie sollte sich Ewan befreien, um zu fliehen? Er kann seine Handgelenke kaum bewegen, weil der Strick, mit dem du ihn gefesselt hast, so eng ist.«
Milford winkte ab. Er traute dem Schlitzohr da drinnen nicht und solange MacLaughlin am Leben war, würde er keinen Schritt vom Höhleneingang weichen.
Misstrauisch beäugte er Anna, die eine Holzschüssel mit der Brühe füllte und an ihm vorbeihuschen wollte. »Wo willst du damit hin?«
»Was glaubst du wohl? Ewan muss etwas Nahrung zu sich nehmen.«
Er hielt sie an ihrem Umhang fest. »Wozu? Morgen oder übermorgen stirbt er ohnehin.«
»Aber ich brauche ihn noch, Liebster.« Ein süffisantes Lächeln umspielte Annas volle Lippen.
Mit entnervter Miene verdrehte Milford die Augen und ließ sie gewähren. Er trat zum Lagerfeuer, um die Suppe in näheren Augenschein zu nehmen. »Davon soll ein englischer Hauptmann nun satt werden«, schnaubte er und wirbelte herum, als er Annas gedämpften Schrei aus dem Inneren der Höhle hörte.
Noch bevor er den Höhleneingang erreichte, kam ihm Anna empört entgegen: »Er verweigert, sich füttern zu lassen, sagt, dass er lieber verhungert, als von mir Nahrung anzunehmen.«
»Da siehst du, wie hochmütig er ist. Selbst jetzt, den nahen Tod vor Augen, spielt er sich als stolzer Krieger auf, den nichts erschüttern kann«, feixte Milford. »Vermutlich macht er sich über dich noch lustig.«
Annas Augen sprühten vor Zorn. »Ich werde ihn lehren, mich zu achten, so wie er immer andere Frauen geachtet hat. Morgen werde ich ihm zeigen, dass ich Gewalt über ihn habe.«
»Es wird auch höchste Zeit.« Robert nahm ihr die Holzschüssel ab, um sie in die Brühe zu tauchen. »Man wird MacLaughlins Verschwinden inzwischen bemerkt haben und nach ihm suchen.« Mit großen Schlucken schlürfte er die Brühe, verzog angewidert das Gesicht und fuhr fort. »Ich glaube zwar nicht, dass man ihn hier vermutet, aber trotzdem sollten wir uns beeilen.«
»Aye«, bestätigte Anna. »Ich konnte ja nicht ahnen, dass Ewan einen ganzen Tag lang bewusstlos sein würde.«
Mit einem munteren schottischen Liedchen auf den Lippen bediente sie sich nun auch aus dem Kessel und schmeckte weder die fauligen Pilze darin noch die bitteren Wurzeln.
Irgendwann hatte Ewan dem Drang nach Schlaf nicht mehr widerstehen können und war vor Kälte, Hunger und Erschöpfung eingenickt. Als er die Augen wieder aufschlug, umgab ihn völlige Finsternis. Das Talglicht war
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