Die Heimkehr des Highlanders
»Nichts, das dich beunruhigen müsste. Manchmal bin ich ein wenig sentimental und denke daran, wie schön es war, als Joan ein kleines Mädchen war. Sie war ein bezauberndes Kind, alle haben sie geliebt.«
»Du könntest noch ein Kind bekommen.«
»Ich konzentriere mich lieber darauf, Großmutter zu sein«, sagte sie lachend. »Mit meinen neunundvierzig Jahren ist das eine wunderbare Aufgabe.«
»Wie du meinst, meine Liebe.« Auch Dòmhnall sah vergnügt aus. »Überlassen wir das den jungen Leuten, aye?«
Immer öfter nahm Joan ihren Sohn mit, wenn sie ihre Gemächer verließ, so auch an diesem Tag. Bis zum frühen Nachmittag waren sie und Màiri mit dem Färben der Wollstränge beschäftigt gewesen, nun befanden sie sich in Màiris Webkammer. Zu ihnen hatte sich Robin gesellt mit einem Holzstück und einem Schnitzmesser. Donny schlief.
»Màiri, hast du einen Vorschlag, wie wir Joan um Mitternacht aus der Burg schmuggeln können? Wir können nicht erwarten, dass die Wache Dòmhnall gegenüber schweigt, wenn seine Schwiegertochter mitten in der Nacht ohne ersichtlichen Grund die Burg verlässt.« Erwartungsvoll sah Robin sie an.
Joans Augen weiteten sich vor Schreck. »Willst du mich etwa alleine reiten lassen?«
»Natürlich nicht.«
»Während der letzten Stunden habe ich viel nachgedacht«, sagte Màiri zögernd. »Wir sollten Mìcheal einweihen.«
»In was?«, fragten Joan und Robin wie aus einem Munde.
»Nun aye … in alles.« Vorsichtig blickte Màiri auf, um die Reaktion der anderen zu beobachten. »In euer Geheimnis bis hin zu Ewans Verschwinden. Es hat mich große Mühe gekostet, Mìcheal zu beschwichtigen, als ich ihn fragte, ob Ewan bei ihm eingetroffen ist.« Ihr Blick war flehend abwechselnd auf Robin und Joan gerichtet. »Ihr müsst euch nicht fürchten, ohne eure Einwilligung werde ich schweigen, aber wenn wir Mìcheal eure Geschichte erzählen, haben wir auch einen Verbündeten mehr.«
»Was meinst du?«, wandte sich Robin an Joan, die dumpf vor sich hinbrütete. »Glaubst du, dass wir Mìcheal vertrauen können?«
»Oh ja, das könnt Ihr, Mr. Lamont!«, rief Màiri aufgebracht; auf ihren hellen Wangen bildeten sich rote Flecken und ihre Finger nestelten nervös an der Kordel ihres Mieders. »Mìcheal würde mir zuliebe nie ein Wort verlauten lassen, das euch drei verraten könnte.«
Abwesend spielte Joan mit dem Webschiffchen, ihr gefiel die Idee nicht besonders. Zum einen kannte sie Mìcheal zu wenig, zum anderen war sie von seiner Verschwiegenheit nicht so überzeugt wie ihre Schwägerin.
Jeder, der um die wahre Herkunft Joans und der anderen wusste, konnte zur tödlichen Gefahr werden, denn trotz ihrer katholischen Kirchenangehörigkeit glaubten die meisten schottischen Hochlandbewohner an Feen, Wechselbälger und Hexen. Dafür war Dòmhnall das beste Beispiel.
Als Joan den Kopf hob, bemerkte sie, dass die beiden anderen sie fragend anschauten. Sie richtete sich auf und legte sorgfältig das Webschiffchen zur Seite. »Würde Mìcheal uns überhaupt glauben?«
»Das ist die Frage, die auch ich gerade stellen wollte«, erwiderte Robin ernst, dabei sah er zu Màiri, deren hektische Gesichtsflecken allmählich verblassten. »Ihr riskiert, dass er sich von Euch abwendet, weil er meint, Euer Geist sei verwirrt.«
»Wenn Ihr und Sèonag bestätigt, dass ich nicht gelogen habe, wird er es glauben. Als Sèonag mir damals anvertraute, dass sie aus einer anderen Zeit gekommen war, befürchtete ich im ersten Augenblick ebenfalls, dass bei ihr im Oberstübchen etwas nicht stimmen könnte. Doch sie hat mich schließlich überzeugt. Ewan war weniger leicht zu überzeugen. Er glaubte, Sèonag hätte mir einen Narren aufgebunden, damit ich ihr zur Flucht aus der Burg verhelfe.«
Sie hatte die Arbeit niedergelegt. Feierlich faltete sie die Hände und blickte zu den anderen beiden am Tisch. »Ich werde Vater noch heute um Erlaubnis bitten, mich nach Barwick Castle reiten zu lassen, weil ich Sehnsucht nach Mìcheal verspüre. Ihr beide sollt mich begleiten.«
Màiri erwartete Zustimmung, erntete jedoch nur fragende Blicke. »So hat Sèonag Gelegenheit, um Mitternacht Kontakt zu Ewan aufzunehmen, und … mit Gottes Hilfe wird sie erkennen können, wo er sich aufhält.«
»Wohl eher mit Ceanas Hilfe«, murmelte Joan, dann wandte sie sich an Robin. »Die Idee ist gut, aber wie geht es dann weiter?«
»Mìcheal wird sich wohl wundern, wenn wir bei ihm auftauchen, aber dazu wird mir schon etwas
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