Die Heimkehr des Highlanders
Donny aufschaute, sah sie in die Augen seines Vaters. Joan biss sich auf die Lippen und war froh, als Darla unvermittelt in der Tür stand.
»Darf ich mich einen Moment zu dir setzen, Sèonag?«
»Aber ja.« Noch klang Joans Stimme etwas rau, deshalb deutete sie mit dem Kinn neben sich auf das Bett.
Vorsichtig nahm Darla Platz, strich Donny über das Köpfchen und sagte: »Ich fühle mich etwas einsam. Außer mit Mòrag kann ich mit niemandem reden.«
Hellhörig geworden, fragte Joan: »Was ist geschehen?« Darlas Stimme hatte niedergeschlagen geklungen, und das Erste, was Joan in den Sinn kam, war der Gedanke an eine Fehlgeburt. »Hast du das Kind verloren?«
Zu ihrer Erleichterung schüttelte Darla den Kopf. »Nein, mit dem Baby ist alles in Ordnung.« Flüchtig strich sie sich über den Bauch. »Als ich mit Ealasaid in der Hoffnung war, ging es mir ähnlich, an manchen Tagen hätte ich nur weinen können, obwohl ich so glücklich war.«
Schwangerschaftsdepressionen würde man diesen Zustand in ferner Zukunft nennen, doch Joan behielt ihre Weisheiten für sich. Darla würde schwerlich verstehen, dass ihre Gemütsverfassung mit der Hormonumstellung zu tun hatte.
»Das geht vorüber«, tröstete sie stattdessen und lächelte Darla aufmunternd zu. »Erzähl, wie hat sich Peader über die Neuigkeit geäußert?«
»Er ist außer sich vor Freude, am liebsten wäre er sofort nach Barwick Castle geritten und hätte Ewan davon erzählt. Du weißt ja, wie oft mein Bruder ihn gehänselt hat, weil er bisher keinen Sohn gezeugt hat. Du hast Ewan doch getroffen – hast du es ihm gesagt?«
»Nein, das kannst du ihm selbst erzählen, wenn er wieder daheim ist«, erwiderte Joan, legte Donny in seine Wiege und setzte sich wieder zu Darla.
»Alle sind fort, aye? Anna, meine Geschwister … nur du bist wieder hier und hörst mir zu.« Ein dankbarer Blick traf Joan. »Màiri glaubt immer noch, ich sei ein Kindskopf, aber das stimmt nicht. Vielleicht habe ich mich in der Vergangenheit häufig albern benommen, aber nun fühle ich, dass ich erwachsen werde.«
Zustimmend nickte Joan. Derartige Äußerungen hatte Darla schon häufig von sich gegeben, um kurz darauf in ihre Jungmädchenphase zurückzufallen. Sie schien jedoch ernsthaft darunter zu leiden, dass sie niemand ernst nahm.
»Wann kommen meine Geschwister wieder, Sèonag?« Joan hatte die Frage befürchtet und sich dementsprechend vorbereitet. Während sie ihre Haube abnahm, zum Spiegel über der Waschkommode trat und ihr Haar bürstete, murmelte sie mehr zu sich selbst: »Bald, Darla. Sie werden bald wieder zu Hause sein.«
15. Kapitel
Das Schluchzen einer Frau ließ Ewan aus unruhigem Schlaf auffahren, doch als er sich im Dämmerlicht des Kerkers blinzelnd umsah, wurde ihm bewusst, dass er nur geträumt hatte. Neben ihm lagen andere stinkende zerlumpte Gestalten, die im Schlaf grunzende Töne von sich gaben oder leise weinten – wenn sie dafür nicht zu schwach waren.
Ewan hatte es aufgegeben, die Tage zu zählen, seit ihn die englische Patrouille bei den Ruinen von Barwick Castle gefangen genommen hatte und später mit einer Kolonne anderer Highlander zur Festung An Baghasdal gebracht hatten. Die Festung lag an der Westküste Schottlands, früher hatte sie einer schottischen Adelsfamilie als Stammsitz gedient, nun hatten die Engländer sie beschlagnahmt und ein gut bewachtes Gefängnis daraus gemacht.
Ewan stöhnte leise auf, als er versuchte, seine unbequeme Lage zu verändern, jeder Knochen im Körper schmerzte ihn von dem steinigen Boden, auf dem er lag, notdürftig gebettet auf einer Handvoll fauligem Stroh. Noch einmal versuchte er, sich an das Weinen zu erinnern, das ihn aus dem Schlaf geschreckt hatte … es war Joan gewesen, das wurde Ewan plötzlich klar.
Er hatte in seinem Leben nicht sehr oft geweint, doch nun liefen ihm die Tränen über das schmutzige bärtige Gesicht. Seine Frau lebte in einer anderen Zeit, weinte sich um seinetwillen wahrscheinlich die Augen aus dem Kopf – und er hatte keine Chance, zu ihr zu gelangen.
Mühsam richtete sich Ewan vollends auf und lehnte seinen Rücken gegen die feuchte Wand aus gehauenem Felsstein. Dabei versuchte er, keine unnötigen Geräusche zu verursachen, um keinen der Schlafenden zu wecken; denn die Nacht war die einzige Zeit, in der die Zelle nicht von rauen Flüchen, Hassparolen gegen die Sasannach und zotigen Witzen heimgesucht wurde.
Verzweifelt versuchte er, sich an jede Einzelheit zu erinnern,
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