Die Heimkehr des Highlanders
aufgebrochen, zwei weitere Tage hatten sie sich durch unwegsames Gelände geschlagen, hatten das letzte Brot von Sèoras geteilt und waren ihren Träumen nachgehangen.
Sìn wollte sein Glück in seinem ehemaligen Dorf versuchen, obwohl er sich nicht sicher war, ob dort noch ein Stein auf dem anderen stand. Aber vielleicht hatten seine Leute in diesem Fall eine Nachricht hinterlassen. Würde er nichts dergleichen finden, wollte er sich auf den Weg in die Lowlands machen, um nach seiner Frau und den Kindern zu suchen.
Mit Unbehagen erinnerte sich Ewan an die rauchenden Trümmer von Glenbharr Castle.
Noch ein letztes Schulterklopfen, dann wandte sich Sìn ab und verschwand nach wenigen Sekunden in der Dichte des Waldes. Lange sah Ewan ihm nach, bevor auch er den Weg einschlug, der ihn seines Wissens in die Wälder von Barwick führte, und ihn – so Gott wollte – Ceanas Höhle wiederfinden ließ.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Ewan in der Ferne die grünen Hügel von Barwick entdeckte. Sein Herz machte einen freudigen Hüpfer, und obwohl er noch mindestens einen ganzen Tag brauchte, erhöhte er das Tempo.
Er merkte nicht, wie seine verletzten Knöchel und Fesseln protestierten, indem sie höllisch zu schmerzen begannen, und er spürte auch nicht die spitzen Steine unter seinen Fußsohlen. Beseelt von dem Gedanken, dem Ziel ganz nahe zu sein, hätte er auch über rostige Nägel oder Glasscherben gehen können, ohne es zu spüren.
Als der Abend herandämmerte, suchte sich Ewan einen Platz zum Schlafen, hier musste er nicht mehr auf nackten Felsen mit leerem Magen nächtigen. Sein Kissen würde aus weichem Moos bestehen, und dank der Dolche und Feuersteine, die Sèoras den Männern überlassen hatte, konnte man Kaninchen jagen und über einem Lagerfeuer braten, was sie in den vergangenen Tagen bereits getan hatten.
Allmählich wichen die hohlen Wangen und Ewans Kräfte kehrten zurück. Sèoras hatte Ewan seinen eigenen sgian dubh mit dem Hinweis überlassen, dass er zu alt war, um sich auf einen Kampf mit den Rotjacken einzulassen. Wenn sie ihn gefangen nehmen würden, würde ihn auch der kleine, messerähnliche Dolch nicht retten. Sìn hatte seine Waffe von einer der Frauen bekommen, die nicht an die Rückkehr ihres Mannes glaubte.
Bald hatte Ewan eine passende Nachtstelle gefunden, das Gras war noch warm von der Sonne des Tages, wenige Meter entfernt floss ein klarer Bach und es roch direkt nach Kaninchen.
Bevor er sich auf die Jagd machte, wusch sich Ewan am Bach und band seine Haare im Nacken zusammen. Nachdem er seine wilde Mähne in Sèoras Kate stundenlang mit einem grobzinkigen Kamm bearbeitet hatte, lagen sie wieder lockig auf seinen Schultern, und nur, wer genau hinsah, konnte angesichts der Leinenstreifen um seine Fesseln den ehemaligen Sträfling erkennen.
Herrgott, wie sehr hatte er sich nach der Natur seiner Heimat gesehnt, nach dem würzigen Geruch des Waldbodens, dem Plätschern der Bäche und dem munteren Vogelgezwitscher. Während der Gefangenschaft hatte Ewan oft mit Wehmut und Trauer daran gedacht, wie er einst die Wälder durchstreift hatte – das Freiheitsgefühl, das er nun spürte, hatte er zuvor nie bemerkt, es war immer alles so selbstverständlich gewesen.
Ein Rascheln im Laub auf dem Waldboden erregte schließlich Ewans Aufmerksamkeit. Ein Wildkaninchen saß aufrecht vor ihm, mit gespitzten Ohren und völlig bewegungslos. Bevor es noch begriff, dass sein Leben in tödlicher Gefahr war, hatte Ewan sich bereits auf das Tier geworfen und ihm mit einem gezielten Handgriff das Genick gebrochen.
Sein oberstes Gebot war, ein Tier nicht unnötig zu quälen. Wenn es schon als Nahrung gebraucht wurde, musste es nicht auch noch leiden, sondern hatte einen raschen Tod verdient.
Erleichtert, so schnell zu einer Mahlzeit zu kommen, schritt Ewan zu seinem Schlafplatz zurück, errichtete ein kleines Feuer und weidete das Kaninchen aus. Schon kurze Zeit später hing der Duft von Gebratenem in der Luft. Ewan nahm sich vor, das Fleisch, das er nicht sofort essen konnte, als Proviant mitzunehmen. Sèoras hatte ihm einen Leinenbeutel mit auf die Reise gegeben, der zwar einen sporran nicht ersetzen konnte, doch seinen Zweck durchaus erfüllte.
Im selben Augenblick, als Ewan herzhaft in die Keule beißen wollte, ließ ihn ein Geräusch hinter seinem Rücken herumfahren. Zwei zerlumpte Männer stürzten sich auf ihn. Geistesgegenwärtig warf Ewan dem vorderen Mann die Kaninchenkeule ins
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