Die heimliche Braut
Mylady”, sagte Sir Nicholas unbewegt. “Wie ich sehe, hat die Sonne Euch aus meiner Burg gelockt.”
“Einen guten Tag Euch, Sir Nicholas”, gab sie ebenso höflich zurück.
“Riona, meine Schönste! Wie gut, dass ich dich hier treffe”, rief Onkel Fergus. Bei seinen Worten, mit denen er ihre Schönheit vor dem Burgherrn pries, wäre sie am liebsten im Boden versunken.
“Ich grüße dich, Onkel. War euch das Jagdglück nicht hold? Wo sind die anderen?”
“Jagd?”, fragte Fergus, als habe er diese inzwischen völlig vergessen.
“Sie verlief gut”, berichtete Sir Nicholas. “Die anderen ließ ich bei einem in die Enge getriebenen Hirsch zurück, und auf dem Heimweg stieß ich auf Euren Onkel, der sich gerade mit einem meiner Pächter unterhielt.”
Riona brannte vor Neugier und hätte zu gern erfahren, warum Sir Nicholas mit ihrem Onkel zurückkehrte, statt bei seinen noblen Gästen zu bleiben. Sie versuchte jedoch, möglichst desinteressiert an dem zu wirken, was Seine Lordschaft erzählte.
“Du müsstest einmal die Lämmer sehen, die Sir Nicholas auf seinem Lehen hat”, schwärmte Onkel Fergus, wobei er seiner Nichte schwungvoll die Arme um die Schultern legte und mit ihr dem Burgtor zustrebte. “Flauschiges, dickes Vlies und Keulen mit gutem Fleisch obendrein! Wie ich es nie zuvor erlebt habe!”
“Euer Onkel versichert mir, ich besäße da eine rechte Kostbarkeit”, bestätigte Sir Nicholas mit einem Unterton, der nur mäßiges Interesse erkennen ließ.
“Kostbarkeit? Donnerwetter, ich glaube, der Mann begreift nicht einmal halbwegs, welchen Schatz er da besitzt. Ein Vermögen sind die wert, diese Schafe! Und er gestattet mir, einige von unseren Muttertieren von seinen Böcken decken zu lassen – gegen Entgelt, versteht sich.”
Das klang ganz nach der typisch normannischen Knauserei. “Versteht sich”, spöttelte sie mit einem leicht angewiderten Unterton.
“Warum sollte ich mit den Tieren nicht Geld verdienen?”, fragte Sir Nicholas scharf. “Schließlich gehören sie mir.”
“Genau, warum sollte er nicht?”, wiederholte Fergus. “Die weiden auf seinem Grund und Boden, und der Schäfer ist sein Pächter. Ein Schlaufuchs obendrein, dieser Thomas!”
“Thomas?”, echote Riona, da ihr der Name bekannt vorkam. “Das muss doch der junge Mann sein, den Polly heiraten möchte.”
Onkel Fergus lachte. “Ah, da hat sie aber Glück, denn er ist ein feiner Kerl.” Grinsend wandte er sich an den Burgherrn. “Ihr solltet Euch anhören, Mylord, was Riona über die zu sagen hat.”
“Ich mache mir nichts aus dem Tratsch über das Gesinde”, wehrte Nicholas steif und hoheitsvoll ab. Inzwischen gingen sie bereits durch das Torhaus des äußeren Mauerrings.
Riona wiederum war ihrerseits wenig erpicht auf Konversation mit ihm.
“Tratsch ist es im Grunde nicht”, erklärte Fergus. “Wenn Euch daran liegt, dass Euer Haushalt reibungslos funktioniert, dann solltet Ihr wie Riona ein Auge haben auf das, was unter dem Gesinde vor sich geht. Ich kann Euch sagen, es hat mir schon einigen Ärger erspart!”
“Lass gut sein, Onkel!”, bat Riona. “Sir Nicholas braucht gewiss keinen Rat von mir.”
Der Burgherr musterte sie mit seinen durchdringenden schwarzen Augen, und sein Blick brannte wie Feuer auf ihrer Haut. “Angesichts der Tatsache, dass ich Soldaten befehlige und nicht Diener, erst recht keine weiblichen, sollte ich mir vielleicht doch anhören, was Ihr zu diesem Thema zu sagen habt.”
“Mylord, ich glaube wirklich nicht …”, hob sie an, verzweifelt bemüht, sich eine gute Ausrede einfallen zu lassen.
“Er braucht deine Hilfe, Riona”, entgegnete ihr Onkel. “Nun sei ein braves Mädchen und …”
Er tat gerade so, als rede sie wie ein Kind!
“Und erzähle ihm von Polly! Da ich die Geschichte bereits kenne, Mylord, habt Ihr hoffentlich nichts dagegen, wenn ich schon vorausgehe.” In Onkel Fergus’ Augen glomm ein gespanntes Funkeln, das nach Rionas Vermutung eine Menge mit Fredella zu tun hatte.
“Lasst Euch von mir nicht aufhalten”, sagte Sir Nicholas.
“Dann also auf später, Mylord”, rief Fergus fröhlich und verabschiedete sich von den beiden mit einem Wink.
“Er scheint ja sehr in Eile”, bemerkte Sir Nicholas, während Riona neben ihm einherging und sich innerlich mahnte, mit ihm Schritt zu halten. Sie wollte nicht wie ein Hund aussehen, der seinem Herrn nachtrottete.
Sie hatte auch nicht vor, ihm auf die Nase zu binden, warum ihr Onkel
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