Die heimliche Gemahlin

dauern, bis wir beide an der Reihe sind und zu Jolly Roger abgeführt werden.“
    „Was willst du dann tun?“ Rasch streifte sie das Kleid über.
    „Ich weiß es noch nicht. Erst muss ich einmal herausfinden, welchen Plan er verfolgt.“ Er ging hinüber zu Helena, die sich gerade nach ihren Haarklammern bückte, und nahm ihr zwei davon aus der Hand. Dann zog er den Mantel an und nahm das Messer aus dessen Tasche, um damit das Futter am Ärmelende aufzuschlitzen. Er ließ das Messer hineingleiten und steckte das Futter mit den Haarnadeln wieder fest.
    „Glaubst du, du wirst es brauchen?“ fragte sie besorgt. „Ich hoffe, nicht. Vielleicht zeigt sich Jolly Roger einsichtig. Blutvergießen würde ich gern vermeiden.“
    Das Knarren der Klinke unterbrach ihre Unterhaltung. Die Tür wurde geöffnet, und Jack kam herein. „Na, haben die beiden Turteltauben wohl geruht?“ Er zwinkerte ihnen zu. „Wie ich höre, soll die Kette heute Nacht höllisch gerasselt haben.“
    „Ich konnte nur nicht schlafen mit einer eisernen Fußfessel“, antwortete Daniel barsch. Die Vorstellung, dass Big Antony dem Liebesspiel gelauscht haben mochte, missfiel ihm außerordentlich. Seltsam, bisher war ihm derlei immer ganz gleich gewesen. Aber schließlich war es auch das erste Mal, dass er mit einer Frau schlief, die er liebte.
    „Jedenfalls gut, dass ihr zwei schon fertig seid“, meinte Jack. „Wir müssen gehen.“
    „Hast du Crouch schon nach den Sachen gefragt, die ich dir über ihn erzählt habe?“
    Augenblicklich verschwand Jacks gute Laune. „Nein. Er weiß noch nicht einmal, dass du hier bist. Ich habe die Jungs angewiesen, ihm kein Wort darüber zu sagen. Erst will ich sehen, wie er sich verhält, wenn er dir plötzlich gegenübersteht.“
    Damit wandte er sich an Big Antony und erteilte ihm in gebrochenem Italienisch Anweisungen. Der band Daniel daraufhin die Hände fest zusammen. Danach öffnete Jack die Fußfessel.
    „Du scheinst mich ja für einen schrecklich gefährlichen Burschen zu halten, Jack“, verkündete Daniel spöttisch.
    „Reine Vorsichtsmaßnahme, Junge. Als wir uns das letzte Mal mit dir prügeln mussten, waren wir zu viert gegen dich und Knighton - und ihr habt gewonnen. Ich weiß also, dass man dich besser nicht unterschätzt.“
    Daniel blickte zu Helena hinüber, die nicht gefesselt wurde. Zumindest sie unterschätzte der gute Jack ungeheuer. In einem günstigen Augenblick würde sie nicht zögern, dem alten Schmuggler den Schädel mit ihrem Gehstock einzuschlagen. Blieb nur zu hoffen, dass sie hierfür einen etwas günstigeren Augenblick wählte als den gegenwärtigen. Erleichtert seufzte Daniel auf, denn Helena folgte ihm widerstandslos hinaus, wie Jack es ihr befohlen hatte.
    Als sie die Treppe hinunterstiegen, zog Daniel das Messer unauffällig aus dem Mantelfutter. Kaum hielt er den Griff fest in der Hand, begann er, das Seil durchzuschneiden, mit dem ihm die Hände gefesselt waren.
    Unten angekommen, führten Jack und Big Antony die Gefangenen zur Kellertreppe. Erstaunt fragte Helena: „Wohin wollen Sie uns bringen?“
    „Zu den Höhlen“, erwiderte Daniel anstelle von Jack. Es hätte ihm eigentlich sofort klar sein müssen, dass sie deshalb hierher gebracht worden waren, aber er hatte die Höhlen vollkommen vergessen. „Vom Keller führt ein Tunnel in die St.-Clements-Höhlen des West Hill. Dort versteckt Jolly Roger sein Schmuggelgut.“
    „Schlau, Danny-Boy!“ rief Jack, der den beiden hinunter folgte. „Also hast du ja dein altes Leben doch nicht völlig aus dem Gedächtnis gestrichen. Falls du jemals wieder für uns arbeiten möchtest ..."
    „Danke, ich verbringe meine Tage nur ungern damit, mich vor den Zöllnern zu verstecken“, entgegnete Daniel. „Einmal ganz abgesehen davon, dass ich mit ehrlicher Arbeit weit mehr verdiene.“
    Jack lachte. „Vielleicht hätte Jolly Roger dann besser dich erpressen sollen.“
    „In der Tat. Bei mir wäre er nicht so billig davongekommen. Ich hätte mich nicht darauf beschränkt, ihn auf die Straße zu werfen. Im Gefängnis wäre er gelandet. Insbesondere, wenn ich damals schon gewusst hätte, dass er mein Onkel ist.“
    Glücklicherweise brachte dies Jack zum Schweigen.
    Als sie den Keller erreichten, schob Big Antony einen Läufer beiseite, der eine Falltür verbarg. Kurz darauf stiegen sie eine verwinkelte, von Fackeln erleuchtete Sandsteintreppe hinab.
    Daniel holten die alten Erinnerungen ein. Jack hatte doch Recht gehabt: Es