Die heimliche Gemahlin
hättest du das arme Geschöpf überfahren! Außerdem steuerst du viel zu dicht an den Straßengraben heran - so werden wir noch verunglücken. Liebe Güte, wer hat dir nur das Lenken beigebracht?“
„Jemand, der dir zweifellos missfallen würde“, antwortete er trocken.
„Nicht notwendigerweise“, gab sie ärgerlich zurück.
Offenbar war es ihm einstweilen gelungen, sie zum Schweigen zu bringen. Aber wie er sie kannte, würde dieser Zustand nicht lange anhalten. Die Straßen waren nach dem Sturm völlig aufgeweicht und mit Schlaglöchern und tiefen Pfützen übersät. Obwohl er sein Bestes gab, um ihnen auszuweichen, hatte Helena an Daniels Fahrweise ständig etwas zu kritisieren gehabt.
Unter anderen Umständen hätte er einen heftigen Wutanfall bekommen, aber er hatte Mitleid mit ihr. Schließlich hatte sie einen Kater und Angst um ihre Schwester. Bestimmt fühlte sie sich schrecklich und versuchte, das durch ständiges Murren zu verbergen. Also ließ er sie gewähren. Außerdem plagte ihn sein schlechtes Gewissen, weil er sie belogen hatte.
Sie packte ihn am Arm. „Vorsicht bei der Kurve da ... Grundgütiger, du fährst viel zu schnell darauf zu!“
„Benimmst du dich immer so, wenn jemand anderes die Zügel in der Hand hält?“
„Nur, wenn der Wagenlenker keinen Schimmer hat“, erwiderte sie schnippisch. Als ihr auffiel, dass sie etwas zu unfreundlich gewesen war, fügte sie versöhnlich hinzu: „Verzeih mir meine Bemerkung, Daniel, ich benehme mich im Moment nicht gerade gut.“
„Was du nicht sagst“, pflichtete er ihr amüsiert bei.
„Ich verspreche, von nun an meine Zunge im Zaum zu halten.“
Er unterdrückte ein Lächeln. Während der vergangenen Stunde hatte sie ihm das nun schon dreimal geschworen. „Ich habe einen besseren Vorschlag.“
Unsicher schaute sie ihn an.
„Warum nimmst du nicht die Zügel? Ich könnte eine kleine Pause gut vertragen.“ Am besten gab er ihr etwas zu tun, damit sie ihre Nöte vergaß.
„Ich? Ich soll das Gig steuern?“
„Du weißt doch, wie das geht!“
Erstaunt blinzelte sie. „Nun, ja.“
„Gut, dann bist jetzt du dran.“ Auffordernd hielt er ihr die Zügel hin.
Sie zögerte einen Augenblick, bevor sie sie ergriff. „Wenn du dich ausruhen musst, einverstanden.“ Entspannt lehnte er sich zurück und beobachtete, wie sie mit kundiger Hand das Pferd lenkte. „Du scheinst das schon öfter gemacht zu haben.“
Ohne die Augen von der Straße zu wenden, antwortete sie: „Daheim hatte ich die Auswahl zwischen der Kutsche oder dem Gig. Es war mir meist zu umständlich, jedes Mal, wenn ich ausfahren wollte, die Kutsche anspannen zu lassen und den Fahrer zu rufen. Also bin ich recht geübt darin, mit einem Gig umzugehen.“
„Dann wird dir unser Gefährt ja keine Mühe bereiten.“ Und die schlechten Straßenverhältnisse würden ihre gesamte Aufmerksamkeit erfordern, so dass sie nicht über Crouch nachdenken konnte.
Zum Teufel mit Will Morgan oder Morgan Pryce, wer auch immer der Mistkerl wirklich sein mochte! Juliet zu verführen und dann Crouch auszuliefern war einfach unverzeihlich! Daniel konnte es kaum erwarten, den Halunken in die Finger zu bekommen. Er würde ihm schon zeigen, was passierte, wenn man die Unerfahrenheit eines jungen Mädchens ausnutzte!
So wie ich die Situation gestern Nacht bei Helena ausgenutzt habe.
Er fluchte leise. Wie hatte er nur so dumm sein können? Er konnte froh sein, dass sie ihn jetzt nicht hasste. Jeder Narr wusste, dass man eine Frau nicht verführte, wenn sie betrunken war - auch wenn sie nichts dagegen zu haben schien. Am nächsten Morgen war sie meist anderer Meinung und machte einem eine fürchterliche Szene!
Nur in Helenas Fall war diese ausgeblieben. Stattdessen hatte Helena ihn mit ihren sanften haselnussbraunen Augen angeschaut, als ob ... Hatte sie es sich vielleicht doch gewünscht? Traurig schüttelte er den Kopf. Das war Wunschdenken! Vorhin am Frühstückstisch hatte sie ihm deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht im Traum daran dachte, jemals mit ihm zu schlafen.
Dennoch war sie sehr begierig darauf gewesen zu erfahren, weshalb er es nicht getan hatte. Das ließ einen Mann doch zumindest hoffen ...
Verächtlich lachte er auf. Als ob eine Frau wie sie aus freien Stücken zu ihm ins Bett kommen würde! Er musste ja wohl vollkommen den Verstand verloren haben! Wenn sie nicht wegen ihres Streits ein schlechtes Gewissen gehabt hätte und noch dazu betrunken gewesen wäre, hätte
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