Die heimliche Lust
Außerehelicher Sex kann die besten Ehen zerstören und die schlechtesten verbessern.
Manche Experten sind der Auffassung, daß es verschiedene Muster von außerehelichem Sex mit jeweils vorhersagbaren Gründen und Resultaten gibt, und sie bieten einem eindeutige Regeln für den Umgang mit den Spätfolgen an. Diese Regeln führen einen neuen psychologischen Bezugsrahmen anstelle des bisherigen institutionellen, juristischen oder theologischen ein. Aber ich frage mich, ob diese modernen Regeln mehr Rücksicht auf die Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen Ehefrau nehmen als die alten, ob sie sie nicht immer noch zu dem hinführen, was sie wollen »sollte« bzw. wovon andere wollen, daß sie es wollen soll. Diese Regeln, ob neu oder alt, können immer noch die Zuständigkeit einer Frau für ihre eigenen Gefühle und Bedürfnisse hintertreiben; sie schreiben ihr immer noch vor, wie sie sich benehmen soll, was sie zu tun hat, um Liebe zu bekommen und »besser« zu werden. Sie bringen sie immer noch zum Schweigen. Psychologische Gesetze sind immer noch Gesetze; sie drängen die Betroffene immer noch zurück in Richtung auf eine Konvention, von der sie sich so nachdrücklich lossagte, als sie dieses »gesetzlose Gebiet«, in Hawthornes Worten, außerhalb der Gemarkung der Ehe betrat.
Sie wieder in die Ehe zurückzuführen oder sie da herauszuholen, war nicht mein Ziel, und ich würde Frauen vor allen Leuten warnen, die dieses Ziel verfolgen. Im Umgang mit dem Nachspiel einer Affäre müssen sie sich vielmehr auf ihre eigene innere Stimme verlassen. Ich glaube, daß die leidenschaftliche Frau, die die Grenzen der Tugendhaftigkeit, wenn auch für noch so kurze Zeit, überschreitet, heute immer noch diffamiert wird. Das darf sie nie vergessen. Sie allein aber kennt ihre Gefühle und Beziehungen, und wenn sie ihre Zuständigkeit dafür jetzt aufgibt, nachdem sie sie zuvor in Anspruch genommen hat, wird es nur ein geringer Trost für sie sein, »das Richtige« getan zu haben. Man denke nur an die arme Hester Prynne, die das Richtige tat, zum besten Frauenzimmer in ganz Boston wurde, das Vertrauen und die Liebe der gesamten Gemeinde errang — um den Preis ihrer eigenen Sexualität. Was Sie als »Outlaw« jedoch bedenken sollten, wenn Sie über das Schicksal Ihrer Ehe nachsinnen: Den Statistiken zufolge ist eine außereheliche Beziehung einer der häufigsten Gründe, weshalb sich Paare in Therapie begeben; mehr als die Hälfte derjenigen, die das tun, trennen sich am Ende der Therapie aus ebendiesem Grund bzw. lassen sich scheiden. Das Budget geschiedener Frauen aller sozialen Klassen ist eklatant geringer als vorher. Vergessen Sie die institutionalisierte Macht nicht; die eifersüchtigen Männer; den finanziellen Aspekt. Vergessen Sie nicht, daß Frauen Sie mit denselben kalten Blicken betrachten werden wie Männer. Vergessen Sie nicht, wie man sich fühlt, wenn man spricht, ohne gehört zu werden; wenn man erscheint, ohne gesehen zu werden. Vergessen Sie nicht die Gesellschaft, in der wir leben — daß man Sie als Ehebrecherin, als besudelt ansieht. Immer noch werden Frauen für ihre Affären hart bestraft.
Vergessen Sie nicht, daß sogar Ihre Kinder Sie verletzen könnten, wenn sie von Ihrem Verhältnis erfahren; sie leben in derselben Gesellschaft wie Sie, so daß ihre Sympathien sehr wahrscheinlich die gleichen sein werden wie die ihrer Umgebung. Wenn Sie gegen die institutionalisierte Macht verlieren, dann werden sie sich vielleicht auf deren Seite stellen und nicht auf die Ihre — zumindest eine Zeitlang. Vor allem: Idealisieren Sie Ihre Affären nicht! Es war schließlich die Idealisierung von Beziehungen und der Ehe, die all dies erst in Gang gesetzt hat.
Alles anders sehen
Was ich Ihnen jedoch über diese Frauen sagen kann, so ungewiß die Schicksale ihrer Beziehungen auch sein mögen, so sehr den Umständen preisgegeben: Sie alle hatten das Gefühl, durch ihre Erfahrung für immer verändert zu sein, und sie bereuten es nicht, diese Erfahrung gemacht zu haben.
Jede sprach davon, die Dinge jetzt aus einer anderen Perspektive zu sehen, die neue Aussicht mit der ungewohnten Klarheit und der Überraschung eines Kurzsichtigen zu betrachten, der zum ersten Mal eine Brille aufsetzt. Es gibt ein optisches Instrument, das Stereoskop, das eine dreidimensionale Wirkung erzielt, indem man zwei Photos derselben Szene, von etwas unterschiedlichen Blickpunkten aus aufgenommen, durch zwei Okulare betrachtet. Die Frauen
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