Die heimliche Lust
wollte und das nicht konnte. Und als ich jemanden fand, der es konnte... — es war einfach etwas ganz anderes.
DH: Was geschah, sobald Sie merkten, wie es sein konnte?
A: Ich fühlte mich, als sei ich neu geboren worden. Als lebte ich zum ersten Mal. Daß ich keine Versagerin bin. Daß ich nicht falsch ticke. Es ist erstaunlich, wie man sich an das Nichtempfinden von Lust anpaßt. Man fühlt sich als totale Niete. Und dann plötzlich war alles in Ordnung. Wie es sein sollte. Mein Körper war lebendig, mein Geist war wach, ich fühlte mich gut und richtig und wie eine Frau und wie ich. Ich hatte vorher nicht gewußt, woher dieses Gefühl des Ungenügens kam.
Jetzt hatte ich plötzlich Lust, Dinge zu tun, vor denen ich mich vorher gefürchtet hatte.
DH: Was zum Beispiel?
A: In der Stadt Auto zu fahren! Daniel ist immer gefahren. Ich hatte schreckliche Angst davor. Und Dinge allein zu tun. Allein auszugehen, ins Kino, in Ausstellungen. Wenn ich zu Hause war, mit Daniel beisammen, flog ich eigentlich nie aus, um irgend etwas allein zu tun, was Spaß macht. Seither habe ich unentwegt Dinge getan, die ich seit Jahren tun wollte und nie getan hatte. Ich fange an, viele meiner eigenen Ängste zu besiegen. Ich habe jetzt das Gefühl, als eröffne sich mir viel mehr. Ich halte so viele Dinge für möglich.
Ich muß einige Zeit damit zubringen, mich selbst zu lieben — ja, ich weiß, wie dumm das klingt. Aber es ist nicht leicht zu verwirklichen. Das ist nämlich eine weitere Falle in einer Ehe: Es kann einem passieren, daß man zuletzt alles verschenkt. Man gibt den Kindern, dem Mann, aber was einem schließlich schwerfällt, weil die Ehe es irgendwie ausgelöscht hat, ist, daß man sich selbst etwas gibt. Man vergißt, wie es geht. Oder man lernt es erst gar nicht. Ich denke, »für sich selbst sorgen«, das ist es. Mir gefällt diese Formulierung sehr.
Ich frage mich immer wieder: Was ist Liebe? Und ich kann es nicht definieren. Eine Definition, die ich habe, lautet, bedingungslos zu geben. Aber trotzdem ist es keine schöne Sache, zu geben, ohne etwas dafür zurückzubekommen, weil einen das langsam auslöscht.
Ich weiß, daß wir über infantile, primitive Gefühle sprechen, wenn wir über Seitensprünge sprechen und davon, mit seinem Partner darüber zu reden; aber ich behaupte, daß ich über diese Gefühle hinauswachsen kann. Ich weiß, daß ich es kann. Ich weiß, daß ich mit der Wahrheit umgehen kann, wenn ich in einer Beziehung bin, in der ich zutiefst geliebt werde. Die Menschen können sich einfach nicht immer so verhalten, wie ihre Partner es gern hätten.
14. Der Preis
Männer folgen gewöhnlich einem ziemlich vorhersagbaren Weg von Leistung und Erfolg. Frauen aber verwandeln sich nach ihrem Erwachen, und dieses Erwachen ist nur im Rückblick identifizierbar.
Carolyn Heilbrun, Writing a Woman’s Life
Ich kann Ihnen nicht sagen, was mit den Beziehungen dieser Frauen geschehen wird: Ich habe junge Frauen und solche in mittlerem und höherem Alter erlebt und mit ihnen gesprochen, die eine oder mehrere außereheliche Beziehungen hatten; deren Beziehungen zwei Monate oder zwei Jahrzehnte dauerten.
Ein seit fünfzehn Jahren bestehendes Verhältnis könnte zu Ende gehen, während Sie dieses Buch lesen, und die Betroffene könnte zu einer monogamen Ehe zurückgekehrt sein. Manche der Männer, die ledig waren, als ich dies schrieb, werden verheiratet sein, wenn Sie das lesen, entweder mit der Partnerin ihrer Affäre (obwohl das statistisch gesehen unwahrscheinlich ist) oder mit jemand anderem. Dieses neu entstandene Paar kann sich für sexuelle Ausschließlichkeit entscheiden oder auch nicht. Sehr wenige Frauen haben sich ihren Männern offenbart und es bereut; noch weniger sind froh, daß sie es taten. Einige Frauen mußten feststellen, daß ihre Männer ihnen niemals verzeihen konnten; manche erlebten, daß ihre Männer dies konnten und es auch taten. Manche Frauen liebten ihre Männer während der ganzen Zeit, andere nicht. Ein Teil der Frauen verliebte sich in den außerehelichen Partner. Für manche entwickelte sich die eheliche Beziehung während des Seitensprungs, für andere erst nach Beendigung der Affäre; für wieder andere verwandelte sie sich ungeachtet des Ausgangs der Affäre in Haß. Die Ehen einiger Frauen wurden anscheinend durch ihren Seitensprung nicht beschädigt, manche litten vorübergehend, andere wurden endgültig ruiniert; wieder andere gingen überaus gestärkt daraus hervor.
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