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Die heimliche Lust

Die heimliche Lust

Titel: Die heimliche Lust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dalma Heyn
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scheute immer davor zurück, auf mir herumzuhacken. Aber sobald ich anfing, auf ihm herumzuhacken, flog das Ganze in die Luft. Wir haben jetzt ein riesiges Zerwürfnis, aber ich fühle mich seltsamerweise wesentlich besser. Und wissen Sie, ich glaube, ihm geht’s genauso. Wirklich.«
    Leslie, siebenundvierzig und seit zweiundzwanzig Jahren verheiratet, beendete vor zwei Jahren ihre vier Jahre dauernde außereheliche Beziehung zu Paul, weil sie das Gefühl hatte, daß diese »leer« geworden sei und daß sie »nicht zwei Beziehungen lebendig und gesund erhalten« könne. Sie hatte gehofft, beides behalten zu können, aber nach ihrem dritten Jahr mit Paul schaffte sie es nicht mehr. Sie gestand ihrem Mann Thomas ihre Affäre und sagt, daß die Beziehung, die sie gegenwärtig aufbauten, »mehr der Ehe gleicht, wie ich sie mir immer gewünscht habe«, als je zuvor vor ihrem Seitensprung. Auch sie streitet mit Thomas »über fast alles«, aber die Qualität der Auseinandersetzungen scheint sich gewandelt zu haben, von »einer Art sinnlosem Hickhack über nichts« zu »Auseinandersetzungen über essentielle Themen wie zum Beispiel, wer wirklich die Familie beherrscht und warum; wer die Hausarbeit macht und warum, wie wir sexuell zueinander stehen und warum«.
    Leslie und Thomas handeln die Bedingungen ihrer Ehe neu aus, etwas, wovon Leslie meint, sie hätte es vor ihrer Affäre mit Paul nicht tun können, hätte nicht einmal daran gedacht. Sie gibt manches, auf das sie bisher großen Wert gelegt hat, auf, ohne sich dessen besonders bewußt zu sein.
    Es gefiel mir, die Frau seiner Träume zu sein. Wirklich. Ich wollte die Frau seiner Phantasien sein und paßte mich jahrelang dem an, was ich für seine Phantasien hielt. Es war mir ungeheuerlich, mich damit auseinanderzusetzen, nachdem ich die Frau seiner Alpträume geworden war. Anfangs versuchte ich, mich wieder gut mit ihm zu stellen, indem ich mich umzumodeln versuchte, als ob ich eine Art Knetmasse wäre, so sehr wollte ich wieder akzeptiert werden. Das trieb mich zunächst in die Defensive: »Ich bin immer noch die Frau, die du geheiratet hast, wirklich! Es war bloß ein Ausrutscher !«
    Und dann kapierte ich. Ich war diese Frau nicht mehr, falls ich es je gewesen war. Aber wo ich nicht hinzufinden schien, war, wer ich jetzt wirklich war. Das war eine Krise für uns. Wer bin ich, wenn nicht die tugendhafte Frau, die ich gewöhnt bin zu sein? Kann ich etwas daran ändern, wie man mich sieht? Kann ich akzeptieren, so gesehen zu werden? Kann ich geliebt werden? Es ist sehr kompliziert.
    Leslie bat um Vergebung, weil sie etwas Kostbares zerbrochen hatte, das sie aber offengestanden nicht wieder kitten wollte. Sie fühlt sich verunsichert, weil sie die Rolle der Unschuldigen, der harmlosen Person aufgegeben hat, die niemals etwas für sich tat, was den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Familie hätte zuwiderlaufen können. Sie will ihr altes Selbst nicht wiederbeleben, sie will nicht wieder tun, sagt sie, »was ohnmächtige Menschen zu tun versuchen — nämlich ihren Mann zum verzeihenden Elternteil zu machen« und sich irgendwie bei ihm einzuschmeicheln.
    Anfangs unternahm ich hilflose Versuche, seinen Ärger zu besänftigen, indem ich ihm versicherte, ich sei wirklich noch dieselbe Person wie früher. Aber das stimmte nicht. Ich habe etwas zerbrochen, und ich werde nie wieder der Mensch sein, der ich war, bevor ich es zerbrochen habe. Dafür bin ich verantwortlich. Ich werde meinen Mann auch nie bitten, mich wieder zu diesem Menschen zu machen. Und das wird mir schwerer fallen als ihm. Er könnte es vielleicht schaffen, eine unanständige Frau zu lieben. Aber ich könnte zu tief in dieser Rolle der anständigen Frau drinstecken, weil sie so sicher ist und weil sie Belohnungen verspricht.
    Leslie glaubt, daß ihr die Rolle der unanständigen Frau besser gefalle als die alte Rolle, aber nur, weil sie bei Thomas »etwas Wunderbares zum Vorschein gebracht zu haben scheint«. Seine Einstellung zu ihr hat sich verändert, und obwohl er sie manchmal wegen ihres Seitensprungs quält und ihr oft vorhält, das Vertrauen zwischen ihnen gebrochen zu haben, scheint er jetzt viel mehr auf sie zu hören.
    Er hat angefangen, mich in einer Weise ernst zu nehmen, wie er es nie zuvor getan hat. Wir reden viel mehr über Dinge, die nicht mit dem Funktionieren der Familie zusammenhängen; er hört mir jetzt zu, während ich vorher eigentlich nie diesen Eindruck hatte. Ich weiß nicht, ob er

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