Die heimliche Lust
sich bloß deshalb wohler mit mir fühlt, weil wir bis zum Gehtnichtmehr geredet haben, oder ob wir irgendeine Mauer zwischen uns durchbrochen haben, die immer dagewesen ist. Vielleicht liegt es auch daran, daß ich länger nachdenke, bevor ich Fragen beantworte, statt meine vorhersagbaren Antworten loszulassen. Vielleicht ist das einfach interessanter für ihn.
Amanda, die jetzt allein lebt und über den »Scherbenhaufen« spricht, den sie durch ihre Affäre aus ihrem Leben gemacht habe, überlegt, warum sie nicht deprimiert darüber ist:
Ich bin allein. Ich sehe keinen der beiden Männer. Ich habe kein Geld. Und dabei fühle ich mich — erlöst. Ich weiß, daß ich Bedauern empfinden sollte, aber in Wirklichkeit fühle ich mich wie neugeboren.
Und Paula:
Ich habe das Schlimmste in der Welt getan, das Schlimmste, was eine Frau tun kann. Und wissen Sie was, es war das Beste, was ich je getan habe. Es hat mir die Augen so sehr geöffnet... es hat mein Herz geöffnet.
Die Frauen fingen an, jetzt alles »in Farbe« zu sehen und sich »lebendiger« zu fühlen. Die reuigsten Worte, die ich bei allen meinen Interviews zu hören bekam, waren die folgenden Äußerungen von Lynne, sechsunddreißig, und Loren, neunundvierzig, deren außereheliche Beziehungen geendet hatten, die beide in ihrer Ehe geblieben waren und die beide keine weiteren Affären angefangen hatten.
Lynne:
Ich habe die Dinge mit meinem Mann geklärt, und ich glaube ehrlich, wir haben jetzt eine Beziehung, die besser ist als früher. Aber, Herrgott, was für ein langer Weg das war. Ich wünschte, es wäre einfacher, weniger schmerzhaft für uns beide gewesen. Wir ringen immer noch darum — er ist immer noch wütend, ich bin immer noch wütend, und es ist, ehrlich gesagt, noch kein Ende abzusehen. Aber ich glaube nicht, daß wir uns trennen werden. Vielleicht sind wir zu böse aufeinander, um uns zu trennen. Vielleicht werden wir uns trennen, wenn wir aufgehört haben, uns zu streiten. Ich weiß es wirklich nicht. Es ist sehr schwierig.
Loren:
Ich wünschte, ich hätte einen Mann gewählt, der mir mehr bedeutet. Ich wäre so gern mit jemandem zusammen, der die Veränderungen zu schätzen weiß, die ich an mir selbst erlebte, einem Mann, der mich liebt und den ich liebe. Ich mochte mich wirklich in dieser Beziehung; ich fand mich witzig, sehr ich selbst. Sogar meinen Körper, den ich versucht habe, schlanker zu machen — offensichtlich ohne großen Erfolg — , begann ich zu mögen. Er ist rundlich und weich, sagte ich mir, was ist dagegen einzuwenden? Ich hätte es so schön gefunden, wenn der Mann, bei dem ich diese neuen Gefühle empfand, jemand Dauerhafter gewesen wäre, verstehen Sie, zu dem ich hätte sagen können: »Hach! Kannst du es glauben, wie sehr ich mich verändert habe ?«
Für manche war die eigene Veränderung geradezu erschreckend. Die neunundzwanzigjährige Phoebe, die seit fünf Jahren eine stürmische Affäre mit einem Mann hat, spürt ihr verändertes Selbstgefühl — »mein neues Selbst«, wie sie es nennt — in jedem Bereich ihres Lebens:
Manchmal wünsche ich mir, ich könnte wieder in mein altes Selbst zurückschlüpfen. Das war... einfacher. Jetzt bin ich nicht mehr so vertrauensselig, sondern aggressiver, fordere jeden heraus. Ich komme mir bisweilen aufdringlich vor, als müßte ich allenthalben verkünden: Ich existiere, ich habe eine Stimme und muß mir Gehör verschaffen! Vielleicht ist es ein bißchen lästig für andere Leute. Ich schreie herum, und niemand weiß, was er damit anfangen soll. Aber insgesamt fühle ich mich gut, selbst wenn ich mir bisweilen dominant vorkomme, wie damals, als ich in der achten Klasse war. Und dabei habe ich das Gefühl, mein Gott, wo bin ich eigentlich mein bisheriges Leben lang gewesen?
Die Veränderung, die zu bewahren den Frauen am wichtigsten war, war dieser Blick sowohl auf die Situation innerhalb der Institution Ehe (und sie zu durchschauen) wie auf die Situation außerhalb derselben (und sie erlebt zu haben); im Bild zu sein, aber auch in ihrer eigenen Haut, in ihrem eigenen Leben zu sein. Manche Frauen äußerten eine Furcht, dieses neue, klarsichtige, offenherzige Selbst zu verlieren: Sie waren sich ihrer Fähigkeit, es festhalten zu können, nicht sicher genug. Deshalb sprachen sie über diese Gefahr wieder in höchst physiologischen Begriffen: Sie fürchteten, es könnte ihnen ein wesentlicher Schutzmechanismus fehlen, der sie davor bewahren würde, dieses Selbst
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